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Werbung in TageszeitungenMachtprobe der Discounter

Die Drogeriekette Schlecker und Aldi Süd wollen alternative Marketingmethoden austesten. Der Strategiewandel dürfte vor allem Lokal- und Regionalzeitungen hart treffen.

Aldi Süd will verstärkt auf Briefkastenreklame setzen. Bild: dpa

Na, schon für den Badeurlaub gerüstet? Aldi hat dafür dieser Tage einiges auf Lager: von Bikinis mit mutigen Mustern bis zu "just for fun"-Luftmatratzen. Alles zum gewohnten Schnäppchenpreis. Wussten Sie nicht? Das ist nicht schlimm und dürfte künftig immer mehr Zeitungslesern so gehen, denn: Die Billigketten testen gerade, ob es nicht auch ohne ganzseitige, teure Anzeigen in der Tagespresse geht. Während das für die Marketingleute von Aldi & Co. bloß ein Strategiewandel ist, könnte es dadurch vor allem Lokal- und Regionalzeitungen an den Kragen gehen.

Beispiel Zeitungsgruppe Stuttgart (Stuttgarter Zeitung, Stuttgarter Nachrichten), die Anzeigen für 25 weitere Partnerblätter vertreibt. Geschäftsführer Bernhard Reese muss seit Mitte März hinnehmen, dass Aldi Süd vorerst nicht mehr in seinen Zeitungen werben will. In der Fachpresse spricht er von einem "erheblichen und schmerzlichen Einschnitt". Immerhin sei Aldi "unser wichtigster und über viele Jahre treuer Kunde" gewesen.

Der Discounter testet bis Ende 2010 den Verzicht auf Zeitungswerbung, zumindest in Baden-Württemberg. Zeitungshäuser in anderen Regionen können erst einmal durchatmen, wenn auch nur in Sachen Aldi, denn andere greifen bereits flächendeckend durch: Die Drogeriekette Schlecker will künftig nicht mehr wöchentlich, sondern nur noch alle 14 Tage Anzeigen in Tageszeitungen buchen. Was nicht heißen soll, dass Schlecker spart. Das Unternehmen gibt vielmehr an, sein Werbebudget zu verdoppeln - um mehr Prospekte zu drucken, die in Filialen ausliegen und anderweitig in die Briefkästen gelangen.

Anzeigenblätter, denen solche Prospekte beigelegt werden, dürften die einen Gewinner dieser Entwicklung sein. Sie gehören zumeist den klassischen Zeitungsverlagen. Aber auch die Deutsche Post mischt hier mit eigenen Prospektheften Marke "Einkauf Aktuell" kräftig mit - sehr zum Ärger der Verlage.

Für die Zeitungshäuser ist die sich andeutende Entwicklung zweifellos eine Gefahr. Denn die Werbeseiten vom Discounter waren der einzige Teil des Anzeigengeschäfts, der zuletzt gegen den Trend noch wuchs. Wie viel Discounter in der Zeitungswerbung insgesamt steckt, ist nicht bekannt. Branchenkenner gehen indes von gut 10 Prozent aus - bezogen auf 2009 wären das über 450 Millionen Euro.

Während Dirk Ippen, der etwa den Münchner Merkur und die Hessisch/Niedersächsische Allgemeine verlegt, im Fachblatt Werben & Verkaufen von einem "bedeutenden, aber nicht existenzbedrohenden Anteil" spricht, herrscht beim Verlegerverband BDZV so etwas wie Alarmstimmung. "Erste Anzeichen lassen darauf schließen, dass dem Leser die Discounter-Anzeigen fehlen und er auf den Verzicht empfindlich reagiert", sagt Jörg Laskowski, BDZV-Geschäftsführer für die Verlagswirtschaft

Ist Werbung für günstige Badewäsche am Ende ein Verkaufsargument für die Presse? Laskowski sagt nur: "Wir hoffen, dass Aldi seinen Strategiewandel im Abverkauf merkt." Aldi sei allerdings ein "beratungsresistentes Unternehmen", sagt Laskowski: Seine Leute bekommen dort keinen Zugang mehr, um die Werbestrategen doch noch umzustimmen. Doch wenn die Discounter nur noch auf Reklame per Briefkasten setzten, entgingen ihnen viele potenzielle Kunden: Laut BDZV sollen beispielsweise im Rhein-Main-Gebiet schon mehr als die Hälfte aller Haushalte "Werbeverweigerer" sein und sich solche Einwürfe per "Keine Werbung"-Aufkleber verbitten.

Profitierten Lokal- und Regionalzeitungen über Jahrzehnte vom teils unerbittlichen Konkurrenzkampf der Discounter, müssen sie nun um eine ihrer wenigen festen Umsatzgrößen bangen - zumal bislang unbekannt ist, ob Aldi Nord, Netto oder Lidl ähnliche Pläne hegen.

Immerhin einen positiven Aspekt hätte derlei Werbeenthaltsamkeit: Die Berichterstattung über Aldi & Co. könnte wieder kritischer ausfallen und nicht - wie heute oft üblich - aus Rücksicht auf den wichtigen Anzeigenkunden so schaumgebremst.

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17 Kommentare

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  • B
    Basic123

    In einer Zeit in der sich die Angebote und die Preise der Discounter sehr stark gleichen, macht Werbung auch nicht wirklich Sinn. In unserem Fall kann ich sagen dass diese Werbung egal in welcher Form, kaum Beachtung findet und meistens ungelesen in den Müll wandert. Man muss sowieso einkaufen und wo wir einkaufen entscheiden andere Kriterien. Dass kann manchmal ein ganz banaler Grund sein wie z. B. wo ist nicht so viel los oder wo sind die Parkplätze besser angeordnet oder wer hat das für uns bessere Waschmittel usw.Für einen Bikini von ALDI würden wir nie dorthin fahren und dann die Einkäufe dort tätigen. Das Katzenfutter jedoch ist ein solcher Grund. Werbung in diesen Berich wird stark überschätzt.

  • MC
    Moped City

    das eigentliche Problem ist die immer schlechter werdende Finanzielle Lage bei Regionalzeitung. Gerade bei denen gilt es zu differenzieren. Es gibt gang viele sehr schlechte (Nordsee-Zeitung), viele durchschnittliche (Berliner Zeitung) und wenige richtig gute (Stuttgarter Zeitung). Doch wie will man die hohe Qualität bei den richtigen sichern bzw. bei den schlechten erreichen? Indem man mehr Journalisten einstellt. Das ist aber in den vergangenen zehn Jahren nicht mehr passiert. Prinzipiell ist aber das Zeitungslesen als Infoquelle dem TV-Hörfunk-Sektor mindestens gleichzustellen. Mein Credo: Die GEZ muss einen Teil ihrer Einnahmen an die darbenden Zeitungen abgeben um damit den Print-Informationsbestand zu sichern. Im Gegenzug bekommt jeder GEZ-Zahler dazu seine Regionalzeitung (oder wahlweise eine überregionale Zeitung). Gute Idee, oder???

  • Z
    zeitungswerbung

    ist vielleicht auch zu teuer. bei uns kostet ne anzeige im Zigarettenschachtelformat so an die 600 (sechshundert) Euronen. nun müssen sich die Verlage halt auch mal dem Wettbewerb stellen.

  • B
    Blackbird

    Wenn ich als Inhaber einer kleinen Firma (6 Mitarbeiter) Werbung in der s.g. Tagespresse mache, wundere ich mich manchmal wirklich über die hohen Kosten, obwohl wir alles stellen d.h. entprechendes Werbematerial welches komplett übernommen werden kann.

     

    Wenn ich dann noch an die "Gelben Seiten" denke, kann man wirklich nur noch den Kopf schütteln

  • A
    AchGottchen

    An alle, die meinen sie erhielten auch weiterhin ein hochwertiges Produkt, wenn die Werbung fehlt: träumt weiter. So finanzieren sich nun einmal große Zeitungshäuser. Nicht jeder Redakteur hat einen Hauptverdiener zu Hause, der das ehrenamtliche Gehalt ausgleicht, welches der angeheiratete Idealist bei einem (nahezu) werbefreien Titel "verdient". Leute, wo lebt Ihr eigentlich? Zeitungen finanzieren sich normaler Weise nicht über Vertriebserlöse, ansonsten müssten die wenig übrig gebliebenen Zeitungsleser pro Tag mindestens 5,- Euro für Ihr Blatt berappen ... wer ist denn dazu bereit und wandert nicht lieber ins kostenlose Netz ab? Die Discounter treffen die Zeitungen ins Mark. Helfen kann hier wirklich nur noch ein Umsatzrückgang in den Stores (obwohl das leider wahrscheinlich vorher wieder ein paar Menschen den unterbezahlten Arbeitsplatz kostet) und die drohende Negativberichterstattung, die sich ansonsten nur noch öffentlich-rechtliche TV-Stationen trauen.

  • G
    Gudrun

    Hab mich schon lange gefragt, warum ich die ganze Reklame in der Lokalzeitung eigentlich mitbezahlen soll...

     

    In den Wochenanzeigern ist sie besser aufgehoben.

  • M
    Martin

    Ganz am Rande:

     

    Ob ein Schild "keine Werbung und kostenlose Anzeigeblätter" am Briefkasten sinnvoll ist, über diese Frage streite ich mich mit meinem Vater seit Jahren. Er vertritt die Auffassung, dass durch dieses Schild die Unternehmen, die werben, besser wissen, wer an Werbung interessiert ist und dadurch Geld sparen - deshalb hat er kein Schild und wirft alles ins Altpapier... Mich nervt die Werbeflut und die Papierverschwendung - ich habe ein Schild.

     

    Aber wenn es stimmt, dass es inzwischen viele Werbungsverweigerer gibt, und Aldi und Co. über Briefkastenwerbung nachdenken, hat mein Vater evtl, doch Recht und die Zielgruppe wird (mittlerweile) leichter erreicht - und nicht mehr bei den Zeitungslesern gesehen...

  • KW
    kaschieren wo's geht

    Es ist einfach ein Zielgruppenproblem. Hartzis können sich kein Zeitungsabo leisten und müssen eh in den Aldi. In den Discounter geht man, weil's billig ist. Ob da nun bunte Hemden im Angebot sind oder nicht. Werbung macht man, um die bevorrateten Mengen schnell abzuverkaufen, damit die Lagerhaltungskosten im Rahmen bleiben. Die Sonderangebote dienen lediglich dazu, mehr Kunden, die sich für ein anderes Segment interessieren, anzulocken. Aber: wenn eh jetzt alle arm sind, dann brauchen sie auch keine Lockvogelangebote mehr, um zu kommen. Sondern sie kommen, weil sie kein Geld für andere Läden haben. Da gibts dann auch keinen Grund, in ein Einkaufscenter in einen anderen Kiez zum grossen Shopping zu fahren, sondern man schleppt sich im Trainingsanzug in den Shop umme Ecke. Was bleibt, ist Spaghetti und Tomatensoße. Eigentlich bräuchte so ein Discounter wohl in bestimmten Gebieten nicht mal mehr Postwurfsendungen auszutragen. Die grellen gezackten Preisblasen verhallen im nicht vorhandenen Budget. Preispolitik rules. Und ob so ein Discounter fair ist oder nicht, interessiert einen Langzeitarbeitslosen auch nicht. Denn der hat schon einiges hinter sich, daß er sich wahrscheinlich wundert, wenn in Medien und Gesellschaft immer noch so getan wird, als ginge es um Gerechtigkeit. Interessant ist nur, dass die Medien und Werber immer noch so tun, als würde die Verarmung der Gesellschaft gar nichts mit ihnen zu tun haben.

  • C
    cello5

    Wenn man sieht, wie man von den Verlagshäusern (privat und gewerblich) schon bei Kleinanzeigen mit dünnen 2-3 Zeilen abgezockt wird und damit schon schnell bei 50- 60 Euro und mehr liegt, dann hält sich mein Mitleid in Grenzen.

     

    Die sind viel zu teuer.

  • SS
    Susi Sorglos

    Bei mir und vielen Bekannten wandert die Briefkasten-Spam ungelesen sofort dorthin wo sie hingehört: in den Altpapierkübel, der praktischer Weise gleich neben den Briefkästen steht. In Zeitungen hat die Werbung bei mir eine Chance, weil sie aufgeblättert wird, im Briefkasten hat sie die nicht...

  • RB
    Rainer Barg

    Zu viele Werbeverweigerer, sagen die Tageszeitungen, würden Prospektwerbung unattraktiv machen? Die Zahl der Nicht- oder Nichtmehr-Zeitungsleser dürfte ja langsam die gleiche Höhe erreicht haben. Laut Verlegerverband erreichen die Regionalblätter gerade noch sechs von zehn Menschen. Bei denen unter 40 sind es dramatisch noch weniger - da ist Zeitung seit Jahren ein Minderheitenmedium. In dem Bevölkerungsbereich, in dem die "Schweinebauchanzeigen" mit den Wocheneangeboten mutmaßlich besonders gern gelesen wird, dürfte die Verbreitung von Abo-Zeitungen noch niederiger sein. Ich habe mich schon seit langem gefragt, wieso Aldi & Co. überhaupt noch in Abozeitungen werben.

     

    Und ich frage mich, warum solche Zahlen und auf der Hand liegenden Kennzahlen und Vergleiche in dem Artikel nicht vorkommen. Sie sind mit drei Mausklicks zu recherchieren.

  • FH
    Franz Haferkamp

    Tja, da wird den Herren Aldi und Co wohl etwas die Laufkundschaft wegbrechen, was aber auch nicht so schlimm ist. Als Zeitungsleser komme ich nämlich tatsächlich nicht immer um die Discounterwerbung herum, Werbezettel und -broschüren im Briefkasten schmeiße ich jedoch, wie Werbeeinlagen in Zeitungen, immer ungesehen in die Papiertonne. Lästig ist das übrigens bei dem Blättchen von der Post, das man erst aus einer Folie befreien muss. Wirklich stören tut mich die Werbepost aber nicht, schließlich können sich ein paar Leute aus der Nachbarschaft mit dem Austragen ein Extra-Taschengeld verdienen.

     

    Franz Haferkamp, Frankfurt/Oder

  • MH
    Malte Herwig

    Recht so, schließlich zensiert BILD jetzt sogar die Bikini-Mädchen in den Aldi-Anzeigen Screenshot: http://tinyurl.com/38bwtdo

  • C
    cosmo

    Einen "bitte keine Werbung einwerfen Aufkleber" ziert auch meinen Briefkasten aber da ist ja noch das Hintertürchen "kostenloses regionales Käseblatt". Als Totalverweigerer wird jetzt auch dieser Werbungsträger geblockt. "Keine Werbung und gratis Zeitungen" ist das neue Schild. So oder so warte ich auf den Tag an dem ich meinen Briefkasten abschrauben kann. Postbote ist definitiv kein Beruf mit Zukunft.

  • V
    vic

    Wir erhalten in dieser Stadt ein sogenanntes Wochenblatt. Das erhalten alle, ob man will oder nicht. Kostenlos immerhin.

    Leider dient das aber vorrangig als Trojanisches Pferd für Werbeeinlagen aller Art.

    Ein Fall für´s Altpapier.

  • A
    Albert

    Machen sie sich keine Hoffnungen, die Zeitungen werden weiterhin vor Aldi und Co. kriechen, damit sie vielleicht doch wieder an ihre Werbeeinnahmen kommen.

     

    Oder aber sie berichten negativ und die Drogeriketten schalten wieder Anzeigen um die Zeitungen Mundtot zu machen.

     

    Tja...

  • A
    abc

    Vielleicht besinnen sich die Lokalblätter dann endlich mal auf ihre eigentliche Aufgabe, nämlich den Leser über Missstände aufzuklären - gerade über jene, die von Aldi & Co verursacht werden... vor abspringenden Werbekunden brauchen sie ja dann keine Angst mehr zu haben.