Werbung für türkische Religionsschulen: Der Teufel trägt Kopftuch
Die staatlichen Religionsschulen in der Türkei haben Aufwind. Ein Propaganda-Video zeigt nun, wie um junge Frauen geworben wird.
Man kennt es von meisterhaften schwarzen Komödien, dieses herzhafte Lachen, das einem im Hals stecken bleibt – und gleich von Neuem einsetzt. Dieses Gefühl, dass man jetzt eigentlich besser nicht lachen sollte, weil die Situation so echt und so schrecklich ist. Aber auch, dass dieser Humor vielleicht eben deshalb so packend ist, weil er die Abgründe der Gesellschaft schonungslos und böse zur Schau stellt.
So ähnlich kann es einem beim Anblick eines Werbevideos gehen, dass die Imam-Hatip-Schule aus dem türkischen Kayseri gedreht hat und das seit Tagen in den sozialen Netzwerken kursiert. Imam-Hatip-Schulen sind staatliche Religionsschulen, die – wen wundert’s – in den vergangenen Jahren in der Türkei immer populärer geworden sind und durch staatliche Beihilfen zunehmend imstande, die säkularen Gesamtschulen fast vollkommen zu verdrängen.
Das genannte Video zeigt diverse Fallbeispiele, in denen eine junge Muslimin namens Merve mit Gewissensbissen kämpft. Mit einem Mann whatsappen statt zu beten – ist das okay? Einen modischen, etwas kürzeren Rock (zwei Zentimeter oberhalb des Knöchels) kaufen, um ihn wenigstens unter Freundinnen zu tragen – geht das?
„Natürlich, du Dummkopf“, faucht eine diabolische Figur, die plötzlich im Bild auftaucht. Schwarz-rotes Outfit, böser Blick, verkohlte Zähne – die Codes sind nicht besonders subtil. Hier spricht der Teufel höchstpersönlich und er will Merve zu Unmoralischem verführen. Und weil der Teufel klug genug ist, ein Identifikationsmoment für Merve zu stiften, ist er natürlich eine Frau und trägt Kopftuch, genau wie Merve.
Das 6-Minuten-Filmchen ist ein Fest für jeden Trash-Liebhaber und zum Glück auch mit englischen Untertiteln versehen. Dramatische Musik und eine Moral der Geschichte sind selbstverständlich inklusive: „Aber der Teufel weiß nicht, dass Merve die Imam-Hatip-Schule besucht“, heißt es am Ende jedes Beispiels. Folglich entscheidet sich die junge Muslimin entschlossen gegen Whatsapp und den Midirock.
Die Teufelin ärgert sich Tode. Und als Zuschauerin kann man sich locker tagelang darüber schlapplachen. Wäre da nicht das Wissen darum, dass solche Werbemaßnahmen tatsächlich erfolgreich ihre Zielgruppen erreichen – und der daraus resultierende Gewissensbiss.
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