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Werbung am TelefonGreenpeace belästigt "Herrn Henrik"

Der Umweltverband hat ein Callcenter beauftragt, höhere Beiträge per Telefon einzuwerben. Solch aggressives Marketing ist umstritten und lässt auch Datenschützer aufhorchen.

Greenpace-Aktionen kosten natürlich viel Geld, Herr Henrik! Bild: ap

BERLIN taz Umweltschutz nervt - zumindest am Telefon. Ein Gespräch vor wenigen Tagen auf dem Handy zur Mittagszeit.

"Guten Tag, spreche ich mit Herrn Rolf Henrik?" - "Ja." - "Gut. Herr Henrik, Sie sind seit Jahren Fördermitglied bei Greenpeace. Unsere Campaigner haben sich wieder einen bunten Strauß neuer Projekte ausgesucht, die natürlich viel Geld kosten …" *

Man ahnt schon, wie es weitergeht. Schließlich kennt jeder hartnäckige Telefonwerber, die Lottolose oder Mobilfunkverträge verkaufen wollen. Dass allerdings auch Umweltschutzverbände mit dieser Masche Geld eintreiben - darüber wird wenig geredet.

"Wären Sie, Herr Henrik, daher bereit, jeden Monat 1 Euro zusätzlich zu zahlen?" - "Nein." - "Das ist Ihr gutes Recht!"

Die Rufnummer ist unterdrückt bei dieser Bitte um einen erhöhten Betrag. Greenpeace beauftragt Callcenter mit den Anrufen, zurzeit etwa die Petereit-Telemarketing. Das Hamburger Unternehmen hat neben dem Umweltverband Kunden wie das Energieunternehmen Eon und die Luxusautomarke Jaguar.

"Herr Henrik, wären Sie denn bereit, Ihren Förderbeitrag um 5 Euro zu erhöhen?" - "Nein".

Das Callcenter kennt die Daten des Gesprächspartners - die Telefonnummer, seit wann er dabei ist. Greenpeace hat gut 560.000 Förderer. Nicht jeder bekommt jährlich einen Anruf. Doch wer zum Beispiel vier Jahre lang auf schriftliche Informationen keine Extraspende gegeben hat, bei dem wird nachgehakt. Kaltakquise ist bei Privatleuten nicht zugelassen, es sei denn, "sie haben ausdrücklich ihre Einwilligung gegeben", sagt Elisabeth Duhr, Datenschutzbeauftragte in Hamburg. Ob die Förderer dies getan hätten, werde "geprüft". Ob man seine Telefonnummer auf dem Formular für die Fördermitgliedschaft angegeben hat, spiele dabei keine Rolle. Wer solche Anrufe bekommt, kann sich bei Duhr beschweren. Sie sieht die Greenpeace-Aktion "skeptisch".

Auf der "Spenden Sie online" -Seite von Greenpeace im Internet steht derzeit schließlich nur: "Die Adressdaten und - sofern angegeben - Ihre Telefonnummer und E-Mail Adresse verwenden wir nur für Förderer-Service und -Information über unsere Aktivitäten." Aber was genau bedeutet Förderer-Service?

"Herr Henrik, wären Sie denn bereit, einmalig eine Zahlung von 5 oder 3 Euro an Greenpeace zu leisten?" - "Nein."

Gerhard Wallmeyer leitet das Fundraising bei Greenpeace - und versteht das Problem nicht. "Wir haben die Telefonnummern oder wir recherchieren sie", sagt er zum Beispiel. Oder: "Wir machen das schon lange." Es handele sich auch nicht um eine "Kaltakquise" - denn Greenpeace rufe "nur Spender und Fördermitglieder an". Ohnehin gälten für Greenpeace nicht dieselben Regeln wie für ein kommerzielles Unternehmen. Man habe das "intensiv juristisch geprüft".

Aber warum engagiert Greenpeace Callcenter: "Weil wir das allein nicht schaffen oder viele Leute einstellen müssten", sagt Wallmeyer. "Wir haben ja auch keine eigene Druckerei." Und wie viel Geld kostet das? "Bis zu 4 Euro pro Anruf, pauschal". Diese Anrufe seien "extrem effektiv", "fast jeder erhöht die Bindung". So würden teure Fehlsendungen per Post vermieden - mit jedem Gespräch wird noch mal die Adresse abgeglichen.

"Herr Henrik zum Abschluss noch eine Bitte, als Adresse liegt uns die folgende vor: Herr Rolf Henrik … (kurze Pause) … Koch. Entschuldigung!

Ob diese nicht kommerziell ausgerichtete und oberflächliche Art der Ansprache tatsächlich wirkt, ist umstritten. Hans-Josef Hönig von der Meckenheimer AFS-Agentur für Sozialmarketing erklärt: "Sie müssen Beziehungsarbeit betreiben." Hönig war selbst Fundraiser bei der Deutschen Umwelthilfe, heute berät er Verbände. Er meint: "Umweltspender sind intellektuelle Spender, die müssen Sie vor allem mit Inhalten überzeugen."

"Herr, äh, Koch. Da habe ich Sie ja die ganze Zeit mit dem falschen Namen angesprochen." - "Ja".

Henrik war nur der zweite Vorname. Herr Koch überlegt nun, seine Mitgliedschaft zu kündigen. Er will kein Callcenter sponsern.

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11 Kommentare

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  • G
    Gmelin

    Ich wurde heute wieder (letztes jahr auch) von einem schmierigen Callcenter - Agenten wegen Erhöhung des Förderbeitrags angerufen. Trotz meiner Entrüstung über solche Anrufe von Greenpeace ließ er sich nicht beirren sein volles Programm abzuspulen bis ich einhängte.

    Anschließend wurde mir bei meinem Rückruf (Nummer war sichtbar) automatsch die Greenpeacenummer angesagt.

    Diese verwendete ich umgehend zur Kündigung meiner Fördermitgliedschaft.

    Ich kann mir nicht Vorstellen, dass es Leute gibt deren Sympathie für GP durch solche Anrufe gesteigert wird!

  • P
    Peter

    ... das macht nicht nur Greenpeace so, sondern auch z.B. auch die Malteser. Da kommen ganz ähnliche Anrufe. Ob das Callcenter sind oder nicht ist für den Laien schwer zu erkennen.

     

    Das hier Reputation verloren geht, merkt man erst später. Wir haben wg so einem Anruf den Malthesern gekündigt - und wäre ich Fördermitglied bei Greenpeace hätte ich das gleiche gemacht.

     

    Bei Greenpeace ärgert mich allerdings besonders die Agressivität und Unverschämtheit beim Spendeneinsammeln.

    Wenn Sie heute an der Straße von Greenpeace angesprochen werden, dann wollen die gar keine normale Spende mehr! Nein, sie wollen Ihre Kontodaten, den Daueraufrag, die Fördermitgliedschaft... Einmal einfangen, regelmäßig melken!

     

    Wo sind die Leute, die unaufdringlich mit der Spendenbüchse in City stehen und für Ihre Ideale werben?

  • O
    olylyo

    Liebe Taz,

    Ich bin jetzt schon seit einigen Jahren Fördermitglied und Ehrenamtlicher bei Greenpeace.

    Erst einmal muss ich mich wundern welch strenge Kriterine hier an NGOs von der Taz angelegt werden. Greenpeace finanziert sich ausschließlich über Spendengeldern und nicht über Geldern aus der Wirtschaft oder Sponsoring. Es gibt andere Organisationen (z.B. BUND oder WWF) die sich Sponsorn lassen und damit Abhängigkeiten schafft. Das finde ich verwerflich und sollte in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden.

    Greenpeace ist hingegen nur von seinern Spendern abhängig und in diesem Rahmen Werbung für sich zu machen finde ich ok.

    Ich selbst wurde auch schon mal von Greenpeace (freundlich) gefragt ob ich nicht meinen Beitrag erhöhen möchte und kann daher ihren Bericht nicht bestätigen.

  • D
    DerNeutrale

    Also, ich denke viele NGO's machen das mittlerweile so. Die Frage ist nur, ob man sich nicht ein darauf spezialisiertes Call-Center (die also nur mit NGO's zusammenarbeitet) suchen sollte. Die gibts mittlerweile auch zu Hauf. Und nicht eins, welches nebenbei auch mit EON und Jaguar zusammenarbeitet.

     

    @Sandra Meyer: Greenpeace Energy baut gerade ein Wasserkraftwerk in Bremen-Hemelingen. Und nun raten wir mal, wer noch mit im Boot sitzt und den Vertrieb des Ökostroms organisiert? Die swb AG. Und dann stellen sich Greenpeace-Mitglieder in die Fußgängerzone in Bremen und werben dafür, man solle von der bösen swb zu Greenpeace-Energy wechseln. Die swb verkaufe ja gar keinen richtigen Ökostrom...

  • SM
    Sandra Meyer

    Ich bin seit 12 Jahren Fördermitglied. In dieser Zeit habe ich einen einzigen Anruf bekommen. Das war bei der Euro-Umstellung. Greenpeace hat gefragt ob auf oder angerundet werden soll. Alle anderen haben einfach aufgerundet!

    Ich gehe auch täglich auf die Internet Seiten von Greenpeace eV. und Greenpeace Magazin. Die Themen sind immer aktuell (aktueller als auf taz.de)!

    Für Greenpeace arbeiten nicht sehr viele Leute als fest angestellte Mitarbeiter. Von daher finde ich es verständlich wenn diese ihr Arbeitskraft gegen z.B. neue Kohlekraftwerke einsetzten als alle Fördermitglieder anzurufen.

    Klar bekomme ich als Färderer ja auch eine Infobrief-aber ich denke dann auch öfter da könnt man mal eine extra Spende tätigen. Nur gerät das im Alltag leider viel zu oft in Vergessenheit. Von daher finde ich einen Anruf auch in Ordnung. Klar sollte der Mitarbeiter am Telefon auch höflich sein und nicht aufdringlich werden.

    Also ich werde weiterhin Fördermitglied bleiben.

  • BW
    Bark Wind

    Wenn die Erfolgsquote der Anrufe tatsächlich so hoch ist, wie Gerhard Wallmeyer behauptet, scheinen ja die meisten angerufenen Fördermitglieder gar nicht so genervt zu sein (als wenn es sich um irgend eine andere Werbung handeln würde).

     

    Ich finde es trotzdem problematisch und frage mich, ob nicht Fördermitglieder mit den Infos, die sie regelmäßig bekommen nicht sowieso schon genug Anreiz haben müssten, evtl. mehr zu spenden, wenn sie mehr entbehren können & wollen.

     

    Was übrigens Anzeigen bei der taz angeht, ich meine jetzt nicht Greenpeace, sondern gewinnorientierte Unternehmen, so finde ich manche davon auch fragwürdig, aber denke mir, dass die taz wohl ihre Leser_innen für so mündig hält, dass sie sowieso Werbung nicht unkritisch rezipieren (wenn die Unternehmen meinen, dadurch ihre Gewinne zu steigern, sollen sie ruhig die taz unterstützen ... lassen wir sie ruhig in dem Glauben!). Als Notlösung zur Existenzsicherung - und das ist es ziemlich sicher - finde ich das dann, unter diesen Voraussetzungen, g'rade noch okay.

  • Z
    Zoey

    Bei Greenpeace werden Spendengelder nicht nur für die fragwürdige Kaltaquise am Telefon zum Fenster rausgeschmissen - da laufen auch ganz andere fragwürdige Dinge. Spendengelder werden u.a. auch für eine "Lead-Agentur" rausgeschmissen, die Greenpeace beim Corporate-Design unterstützen soll. Diese Agentur -Ligalux- arbeit auch für BASF, KWS-Saatgut u. diverse andere Unternehmen, die nicht gerade für ihr ökologisches Profil bekannt sind. Und während die Internetseiten sich in einem katastrophalen Zustand befinden und auf Inhalte oft nicht viel Wert gelegt wird, üben sich die durch Spendengelder finanzierten Mitarbeiter zunehmend der sinnentleerten Web 2.o Kommunikation und twittern, was das Zeug hält. Greenpeace scheint im 21. jahrhundert angekommen zu sein und jedem Trend hinterherzulaufen, ohne nachzudenken. Brauchen NGOS neuerdings "Leadagenturen", Callcenter u. Co., um bestehen zu können? Ganz sicher nicht. Glaubwürdigkeit u. Vertrauen wird anderswo gewonnen. Ich hab mir das lange genug angeschaut, meine Fördermitgliedschaft gehört inzwischen der Vergangenheit an.

  • TK
    Torsten K.

    Welch ein Unfug.

    Beweist die TAZ nicht gerade mit ihrer

    Kritik Glaubwürdigkeit? Dass die TAZ genauso

    Wie GP ab und zu mal in einen Haufen tritt,

    ist lang kein Grund ihrer Existenzberechtigung

    in Frage zu stellen.

    Und bevor die TAZ über eine Kündigung des Werbevertrages mit GP nachdenkt, sollte sie sich fragen, ob nicht die Werbung für das verfliXte Pauschalreiseunternehmen ihren Idealen

    widerspricht.

  • V
    vic

    Auch ich hatte als Fördermitglied schon einen solchen Anruf. Einen in 10 Jahren. Ich wurde gefragt, ich habe Nein gesagt und gut war´s.

    Hab mich über die Rufnummernunterdrückung beschwert, sie hat sich entschuldigt und Tschüss.

     

    Zudem gehe ich bei unterdrückter Rufnummer grundsätzlich gar nicht ran, An diesem Tag wartete ich aber auf einen Handwerker Anruf.

    Blöd gelaufen.

  • RH
    Rolf Henrik Koch

    Schön, wie gut das hier mit der kontextsensitiven Werbung funktioniert: Greenpeace-Magazin finanziert Kritik an Greenpeace. Weiter so!

  • L
    lui

    Liebe TAZ,

     

    vielleicht solltet Ihr auch überlegen Greenpeace den Werbevertrag zu kündigen.

    Unseriöser geht es wohl kaum noch!

    Verliert die TAZ dadurch nicht auch an ihrer Glaubwürdigkeit wenn sie weiter Greenpeace auf ihren Internetseiten werben lässt? Ein Teufelskreis!

    Denkt mal drüber nach!!!