■ Die Bundesregierung und das deutsche Kulturgut: Wer hat welche Beutekunst?
Kinkel kulturt, will Beutekunst zurückbeordern. Wie schön sich das anhört: Moskau soll deutsche Kunstschätze zurückgeben, die es nach dem Zweiten Weltkrieg hat mitgehen lassen. Recht so! Vergessen, wie fies das schon geklungen hat: Deutschland soll geraubte Kunstschätze zurückgeben. Afrikanische Masken und ozeanische Statuen. Vermessen, solche Forderungen dieser Afrikaner. Was soll denn dann noch in den schönen deutschen Völkerkundemuseen und manch anderem Musentempel übrigbleiben! Unerhört! Die Köpfe der Baule, die Masken der Yaure, die Fruchtbarkeitsidole der Ashanti, die Figuren der Dogon, die Ulis der Mikronesier – ein Schelm, der daran denkt. Zu schön sehen sie aus in deutschen Museen. Seit Jahrzehnten schon. Ersparen in Köln, Düsseldorf, Hamburg und Berlin Kunsthistorikern, die die Inspiration Picassos, Derains, Gonzalez', Klees und Moores erfassen wollen, die Reise ins beschwerliche Afrika. Die haben doch dort Malaria!
„Bloß nicht daran rühren!“ ist die eiserne Parole in den Ministerien, wenn eine Rede auf kulturellen Austausch geschwungen wird. Bloß nichts Wertvolles mitnehmen, bei den vielen Staatsbesuchen in Afrika. Ein gebundener Kredit für Entwicklungshilfe tut's doch auch. Falls es Kinkel gelingen sollte, deutsches Kulturgut aus Moskau loszueisen, darf man gespannt sein, welche Argumentation sich Bonn einfallen läßt, wenn der nächste afrikanische Hungerleider die Herausgabe von Beutekunst fordert. Gleiches Recht für alle war doch schon immer oberstes Bonner Gebot. Oder gilt das, was fälschlich den Beinamen „primitive Kunst“ trägt und in ethnologischen Museen steht statt in Kunstmuseen, immer noch nicht als ebenbürtige Kunst? Oder ist es die Angst, sich des eigenen, kolonialen Erbes bewußt zu werden?
Stünde dann nicht nach pflichtschuldigem „50jährigem“ Herumstochern in jüngster deutscher Vergangenheit eine selbstkritische Revue früherer deutscher Großmachtträume an? Ist es das, wovor so viel Angst herrscht? Stefanie Christmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen