: Wer gewinnt den Gral?
Seit Samstag findet in Doha, Katar, die Tischtennis-WM statt. Die Favoritinnen und Favoriten kommen mal wieder aus China. Doch auch sie sind besiegbar

Aus Wien René Hamann
Der Tisch ist gedeckt, und er ist rosa. Sponsor und Tischtennis-Materialfirma DHS aus China hat sich mal wieder etwas Besonderes einfallen lassen, um auch rein optisch diese WM von anderen Turnieren abzugrenzen: Es gibt also dunkelrosa oder altrosa Tische, auf denen in Doha gespielt wird. Etwas anstrengend fürs Auge, aber die Spielerinnen und Spieler sind da einiges gewöhnt.
In Doha, Katar, findet also seit Samstag bereits die 69. Weltmeisterschaft im Tischtennis statt – in allen Wettbewerben außer dem Team-Wettbewerb (dafür gibt es nächstes Jahr die nächste WM, die in London ausgetragen wird – wo es dann ein Jubiläum zu feiern gibt: 100 Jahre Tischtennis-Weltmeisterschaften): Einzel, Doppel, Mixed. Neben der Tischfarbe ist diesmal auch der Videobeweis eine Neuheit; sie wurde beim World Cup in Macao schon gut getestet. Im Gegensatz zum World Cup setzt die WM ansonsten aufs Altmodische: Gespielt wird von Anfang an im K.o.-System, eine Gruppenphase mit möglichen Unentschieden gibt es also nicht.
Die Favoritinnen und Favoriten kommen natürlich mal wieder aus China; der viel zitierte Österreicher Werner Schlager ist immer noch der letzte Europäer, der den Titel erringen konnte. Bei den Frauen verteidigt Sun Yingsha den Titel; bei den Männern wird es einen neuen Weltmeister geben, denn Fan Zhedong tritt in diesem Jahr nicht mehr an. Auch Altmeister Ma Long bleibt dem internationalen Tischtennis in diesem Jahr fern, genauso wie Timo Boll, der im Juni seine Karriere endgültig beendet.
Das Ende Fans macht natürlich Begehrlichkeiten auf. Einerseits stellt China in Lin, Wang und Liang immer noch die Weltspitze; andererseits hat erst kürzlich Hugo Calderano aus Brasilien gezeigt, dass China besiegbar ist. Dahinter drängeln sich die Lebrun-Brüder aus Frankreich nach vorne, und auch Genie Truls Möregårdh oder sein Kompagnon Anton Kallberg könnten um den Gral mitspielen.
Die Deutschen hingegen werden über jedes Weiterkommen froh sein müssen. In den Top 10 der Weltrangliste kommt inzwischen kein Deutscher mehr vor; Dang Qiu und Patrick Franziska sind zuletzt dort rausgefallen. Beide hatten am Samstag auch schon arge Mühe, ihre Erstrundenspiele zu überstehen, sie gewannen jeweils erst im Entscheidungssatz. Benedikt Duda gab hingegen nur einen Satz ab; Ricardo Walter und Dimitrij Ovtcharov mussten bis Sonntagnachmittag auf ihren ersten Einsatz warten.
Bei den Frauen sieht es im Grunde nicht anders aus. Xiaona Shan hat es bereits am Samstag erwischt, Aus in der ersten Runde. Annett Kaufmann gehört vielleicht die Zukunft, ihre erste Runde gewann sie souverän, doch in Runde 2 wartet mit der Chinesin Chen Xingtong bereits ein Kracher, der sie wahrscheinlich das Weiterkommen kosten wird. Neben Yuan Wan und Ying Han wäre da allerdings noch Sabine Winter – sie hat ihr Spiel kürzlich gewinnbringend auf Anti auf der Rückhand umgestellt und könnte für manche Überraschung sorgen. Ansonsten werden das hier China und Japan mit Tendenz zu China unter sich ausmachen; meine Geheimfavoritin, aber das nur nebenbei, ist die Teenagerin Miwa Harimoto.
Doha ist, Stichwort Sportswashing, schon einmal Gastgeber der Tischtennis-WM gewesen, 2004 war das. Insgesamt profitiert Katar von so einer Ausrichtung; aber wie so oft im Tischtennis gähnen einen bei der Liveübertragung leere Ränge an, während das Beklatschen der Spielenden von anderen Tischen laut hallt. Es muss nicht immer ein Teenage-Kreisch-Szenario sein wie im tischtennisfanatischen China oder ein DJ, der die Handtuchpausen mit Billo-House füllt, aber ein bisschen mehr Live-Atmosphäre vor Ort wäre schon schön. Aber bis nächsten Sonntag ist noch Zeit, daran was zu drehen.
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