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■ Wer eine republikanische Armee möchte, der sollte junge Menschen mit demokratischer Grundhaltung zum Wehrdienst ermunternInstandbesetzung der Bundeswehr

Die Bundeswehr hat ihren Skandal, und die Linke fühlt sich bestätigt. Im Kern war die Armee für sie schon immer eine rechtsextreme Veranstaltung, trotz aller Deklamationen vom „Staatsbürger in Uniform“. Welcher Geist soll in einer Institution herrschen, die nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam funktioniert und deren äußerste Bestimmung die organisierte Vernichtung ist? Kann eine Armee etwas anderes sein als ein Hort nationalistischer Gesinnung und frauenverachtender Männerbündelei? War der Revanchismus nicht das logische Erbe einer Armee, die von Hitlers Offizierskorps aufgebaut wurde?

Die Frage stellen hieß sie beantworten. „Verweigert den Kriegsdienst!“ war die einzig wahre Antwort auf die militaristische Bedrohung der Demokratie. Wer sich für eine Offizierslaufbahn interessierte, mußte rechtslastig oder ein bescheuerter Karrierist sein, der den „Bund“ als Sprungbrett für einen gutdotierten Job in der Industrie nutzen wollte. „Bundesrepublik ohne Armee“ hieß das Fernziel, und auf dem Weg dorthin sollte zumindest die Wehrpflicht abgeschafft werden, um die jungen Männer der Nation vor der militaristischen Infizierung zu bewahren. Das Folgerisiko der Herausbildung einer geschlossenen Söldnerkaste, deren Offizierskorps aus Gesinnungsmilitärs besteht und die ihre Kampftruppen aus deklassierten jungen Männern rekrutiert, wurde gemildert durch die Perspektive einer zügigen Schrumpfung der Armee gegen Null.

Nichts war so erfolgreich wie die Kampagne für Kriegsdienstverweigerung. Die weit ins liberale Milieu reichende Opposition gegen Rüstung und Krieg trug dazu bei, daß jede Form von Militarismus heute in der Bundesrepublik nicht gesellschaftsfähig ist. Das ist ein Quantensprung in der deutschen Geschichte. Der Zivildienst ist keine Randgruppenveranstaltung mehr, sondern gilt als die moralisch höherstehende Alternative. Der zivilisatorische Beitrag der Kriegsdienstverweigerung für die Gesellschaft ist enorm. Die Kehrseite der Bilanz ist allerdings, daß der Bundeswehr über Jahrzehnte hinweg ein Großteil der militärkritischen, universalistisch eingestellten, politisch und menschlich sensibleren jungen Generation entzogen wurde. Statt dessen warben die Rechtsextremen jeder Couleur offensiv für den Wehrdienst.

Indem die Linke die Bundeswehr boykottierte und außerhalb des demokratischen Sektors stellte, überließ sie sie der Rechten und trug dazu bei, daß die Armee eben nicht das gesamte politische und kulturelle Spektrum der Gesellschaft widerspiegelt, sondern eine „Rechtsverschiebung“ aufweist. Alarmierend ist nicht, daß die Bundeswehr mit autoritären Charakteren und ultrarechten Spinnern fertig werden muß, sondern daß sie zum Sammelbecken für diese Tendenzen wird.

Wenn man akzeptiert, daß die Abschaffung aller Armeen einstweilen eine schöne Utopie bleibt, weil neue Konfliktlinien den Ost- West-Gegensatz abgelöst haben und ein Großteil der Staaten dieser Welt nicht daran denkt, jede militärische Sicherheitsgarantie aus der Hand zu geben, stellt sich die Aufgabe der zivilgesellschaftlichen Einbindung der Bundeswehr um so dringender. Dazu gehört ihre zahlenmäßige Verkleinerung ebenso wie der Verzicht auf Massenvernichtungswaffen und ihre Integration in internationale Bündnis- und Sicherheitsstrukturen, die einen Rückfall in nationalistische Abenteuer ausschließen. Dazu gehört aber auch ein neuer Anlauf zur Stärkung demokratischer Haltungen in der Bundeswehr. Ohne Menschen, die diese Haltung verkörpern, geht das allerdings nicht.

Die Bundeswehr verkörpert wie keine andere Armee vor ihr das Primat der Politik, verankert in den weitgehenden Kontroll- und Entscheidungsbefugnissen des Bundestags und flankiert durch eine kritische öffentliche Beobachtung. Allein, „von außen“ ist die Überwindung militaristischer und rechtsextremer Einstellungen in der Armee aber nicht zu leisten. Wer will, daß demokratische, universalistische Werte in der Bundeswehr vorherrschen, muß Menschen mit dieser Grundhaltung ermutigen, Soldat zu werden, als Wehrpflichtige oder Offiziere. Nicht vereinzelt, sondern in hinreichend großer Zahl, um als Korrektiv im Alltag der Armee fungieren zu können.

Die kollektive Verweigerung gegenüber der Bundeswehr ist das letzte Reservat einer Sichtweise, die die Bundesrepublik insgesamt in der Kontinuität zum Nationalsozialismus sah. Die personellen Verbindungslinien zum NS-Regime in Wirtschaft, Justiz, Verwaltung und Armee waren der Linken Beleg für den latent faschistischen Charakter dieser Institutionen. Inzwischen haben ungezählte Bewegungen und Initiativen die Republik demokratisiert und gezeigt, daß Einmischung die Dinge verändern kann. Gilt das auch für die Bundeswehr, oder ist sie der letzte Hort, der „seinem Wesen nach“ einer demokratischen Renovierung standhält?

Es spricht viel dafür, daß Armeen aufgrund ihres finalen Zweckes – Krieg zu führen, wenn der Krieg nicht verhindert werden kann – auch in demokratischen Verhältnissen die härteste Bastion einer autoritären und inhumanen Kultur sind. Dennoch ist deterministisches Denken auch hier eine Falle. So ist das in weiten Teilen des Offizierskorps immer noch vorherrschende – und von Rühe gedeckte – Verständnis einer Traditionspflege, die keinen scharfen Trennungsstrich zu den „soldatischen Tugenden“ der Wehrmacht zieht, kein genetischer Defekt, sondern ein Politikum. Daß der Besuch der Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht nicht zum Pflichtprogramm während der Grundausbildung gehört, ist ebenso eine Frage der politischen Führung wie die Öffnung der Offiziersränge für Immigranten. Genau hierin hat Volker Rühe versagt.

Analog zu Polizei und Justiz, wo der alte, obrigkeitsstaatliche Typus von Richtern weitgehend abgelöst wurde durch eine neue, demokratisch geprägte Generation von JuristInnen, steht auch in der Bundeswehr eine zweite Demokratisierung an. Die Frage „Verweigere ich den Kriegsdienst, oder gehe ich zum Bund?“ sollte nicht länger eine Frage der Political Correctness oder der höheren Moral sein, sondern tatsächlich eine Frage des persönlichen Gewissens. Politisch spricht gerade angesichts der jüngsten Ereignisse vieles dafür, die Bundeswehr nicht länger den Rechten zu überlassen, sondern für eine republikanische Armee zu streiten, die sich als Teil einer zivilen Gesellschaft versteht und ihre Werte teilt. Ralf Fücks

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