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NachrufWenn wir alle Engel wären

■ Heinz Rühmann starb am Dienstag abend im Alter von 92 Jahren

In gewisser Weise war er alterslos. Als ungestümen Helden hätte man sich Heinz Rühmann wohl kaum vorstellen können – auch wenn er 1920 achtzehnjährig als jugendlicher Liebhaber am Breslauer Lobetheater debütierte. Als ihn Erich Pommer 1930 mit „Die Drei von der Tankstelle“ zum Ufa-Star machte, war Heinz Rühmann schon fast dreißig. Und schien das während der kommenden Jahrzehnte lange zu bleiben. Seine Filmographie liest sich wie ein Lexikon des NS-Unterhaltungsfilms: „Wenn wir alle Engel wären“ (Carl Fröhlich, 1936), „Der Mustergatte“ (Wolfgang Liebeneiner; 1937), „Kleider machen Leute (Helmut Käutner; 1940). Ob als Pfeiffer mit drei f in der „Feuerzangenbowle“ (1943) oder als „Quax der Bruchpilot“ (1941) – Rühmann war stets der kleine, verschmitzte, freundliche junge Mann von nebenan. Der größte männliche Star der Ufa – ein Kleinbürger.

In gewisser Weise war er auch zeitlos. Als Propagandaheld des Naziregimes wollte ihn sich die Nachkriegsgeneration partout nicht vorstellen. Dabei drehte Rühmann den größten Teil seiner über hundert Filme vor und während des Krieges. „Das Volk bei guter Laune zu halten“ hielt Propagandaminister Goebbels für „kriegswichtig“. Rühmann war eine seiner wichtigsten Waffen an der Heimatfront. Seine Filme waren auf den ersten Blick harmlose Unterhaltungsware, deshalb aber nicht weniger systemstabilisierend. Vor allem aber waren sie erfolgreich, Leute wie Rühmann schlossen die Lücke, die die emigrierten Ufa-Stars hinterlassen hatten. In der Schauspieler-Hierarchie des „Dritten Reichs“ rangierte der kleine Rühmann ganz oben: Er war „Kategorie I“.

Daß der neue Star ausgerechnet mit einer Jüdin verheiratet war, paßte freilich nicht ins Bild. Immer unverblümter setzte man den „Arier“ Rühmann unter Druck, sich von seiner Frau zu trennen. „Sehen Sie zu, daß Ihre Frau einen neutralen Ausländer heiratet“, riet Hermann Göring, „das ist die einfachste Lösung! Meinen Segen haben Sie.“ Zu dem Segen erhielt Rühmann nach der Scheidung eine Devisenausfuhrgenehmigung, die es dem Folgsamen erlaubte, fortan monatlich 250 Reichsmark an seine Ex-Gattin nach Schweden zu überweisen.

Diese Art Überlebenstransfer war seinerzeit nicht unüblich: auch Theo Lingen, Hans Moser oder Paul Henckels arrangierten sich auf diese Weise mit dem System. Andere verließen das Land oder gar das Leben, wie der Schauspieler Joachim Gottschalk. Weil er sich nicht von seiner jüdischen Frau hatte trennen wollen, erhielt der vormals erfolgreiche und beliebte Schauspieler absolutes Filmverbot. 1941 nahm sich Gottschalk gemeinsam mit seiner Familie das Leben.

An seinen kurzen Draht nach ganz oben wollte sich Rühmann, der noch 1943 eigens ins Führerhauptquartier gereist war, um die Freigabe der indizierten Komödie „Die Feuerzangenbowle“ zu erwirken, nach Kriegsende nicht mehr so genau erinnern. Seine 1982 veröffentlichten Memoiren „Das war's“ üben sich in ähnlich launiger Aufarbeitungsrhetorik wie die seiner KollegInnen. Anekdotenreich, frei von Schuld und Sühne. Das war's.

Wie viele andere setzte auch Rühmann nach 1945 seine Filmkarriere nahtlos fort: „Ich bin nun mal Schauspieler und spiele gern“, hatte er schon vor dem Entnazifizierungsausschuß erklärt. Die Nachkriegsdeutschen dankten ihm diese Haltung: Mit „Charleys Tante“ startete er 1955 wieder durch. Zahllose Film- und Fernsehrollen, in denen er sein Image als spitzbübischer Pfiffikus ausbaute, folgten. Wieder gaben ihm die Staatsträger ihren Segen, unzählige Auszeichnungen veredelten seinen Persilschein: „Großes Bundesverdienstkreuz“, „Bundesfilmpreis“, „Goldenes Filmband“, „Goldene Kamera“, um nur einige zu nennen.

Als der scheinbar unsterbliche Star dann doch in die Jahre kam, verlegte sich Rühmann erst aufs Geschichtenerzählen, noch später dann auf wenige kurze TV-Auftritte, anläßlich derer der zeitlose, alterslose, gedankenlose kleine Held als Opa der Nation gefeiert wurde.

Am Dienstag abend ist Heinz Rühmann im Alter von 92 gestorben. „Ich habe den Menschen vielleicht ein bißchen Spaß bereitet“, sagte er einmal, „und ihnen später Besinnung und Ernst gebracht.“ Sicher, auch das. Klaudia Brunst

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