: Wenn der Wasserzähler tickt
Seit die britische Regierung das Wasser privatisiert hat, ist die Zahl der Ruhrerkrankungen um mehr als das Dreifache gestiegen. ■ Aus London Ralf Sotscheck
Die Statistik brachte es an den Tag. Seit die britischen Wasserwerke nicht mehr dem Staat gehören, leidet die Gesundheit der Bevölkerung. Im Jahr 1990 — ein Jahr nach der Privatisierung — wurden in England und Wales noch 2.756 Fälle gezählt, im Jahr darauf waren es schon 9.935.
Der Anstieg der Krankheitsfälle, die meist durch mangelnde Hygiene ausgelöst werden, hängt eindeutig mit der Praxis der Wasserindustrie zusammen, bei Zahlungsrückständen den Kunden sofort den Hahn abzudrehen. Die Zahl der Haushalte, denen das Wasser abgestellt wurde, hat sich im selben Zeitraum nämlich ebenfalls verdreifacht: von 7.273 Fällen im Jahr 1990 auf 21.586 Fälle ein Jahr später.
Die englischen Midlands um Birmingham sind von dem rapiden Anstieg infektiöser Krankheiten besonders stark betroffen. In verschiedenen Gegenden haben sich die Ruhr- und Hepatitis-Fälle innerhalb eines Jahres verzehnfacht. John Middleton, der Direktor der Gesundheitsbehörde in Sandwell, sprach von einer „starken geographischen Korrelation“.
Die Labour-Abgeordnete Helen Jackson, die dem Unterhaus diese Statistiken vorgelegt hatte, sagte, man müsse bei den Krankheitszahlen zwar auch andere Faktoren wie die allgemein zunehmende Armut berücksichtigen, aber sie bewiesen dennoch deutlich, wie wichtig die Versorgung mit Wasser sei.
Jackson hat unter ihren KollegInnen im Unterhaus inzwischen 200 Unterschriften gegen das „rücksichtslose Vorgehen der Wassergesellschaften auf Kosten der öffentlichen Gesundheit“ gesammelt.
Auch zahlreiche Tories haben den Aufruf unterzeichnet. Der Protest ist freilich naiv, entspricht die bedingungslose Profitorientierung von Privatunternehmen doch voll und ganz den hochgelobten Prinzipien des Thatcherismus. Außerdem kommt die Reue zu spät: Die Wasserprivatisierung ist damals mit deutlicher Mehrheit vom Parlament beschlossen worden.
Gesundheitsinitiativen werfen der Wasserindustrie vor, daß sie Wasserzähler einführen will, um den VerbraucherInnen den Schwarzen Peter zuzuspielen. Da die Wasserpreise noch mindestens zehn Jahre lang schneller als die Inflation steigen werden, um ein 28 Milliarden Pfund teures Modernisierungsprogramm zu finanzieren, werden Zähluhren dazu führen, daß immer mehr Menschen „freiwillig“ das Wasser abstellen, warnen die Initiativen.
Darüber hinaus machen die Zähler eine Gebührenerhöhung unumgänglich, was vor allem die unteren Einkommensschichten, Arbeitslose und RentnerInnen treffe. In einer Wohnsiedlung im nordenglischen Bradford zahlen Haushalte ohne Zähler zur Zeit hundert Pfund im Jahr, während Familien mit Wasserzählern 350 Pfund berappen müssen.
Die staatliche Aufsichtsbehörde „Ofwat“ ist in dieser Frage gespalten. Die Hälfte ihrer Zweigstellen hat sich zwar gegen die Wasserzähler ausgesprochen, doch Ofwat-Generaldirektor Ian Byatt setzt sich vehement für ihre allgemeine Einführung ein. Margaret Chapman von der „Nationalen Kampagne für Wassergerechtigkeit“ warf Byatt vor, lediglich die Interessen der Wasserindustrie zu vertreten und forderte seinen Rücktritt.
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