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Wenn Männer eklig werden...

■ ...werden Frauen lesbisch? „Chinese Chocolate“ von Yan Cui und Qi Chang, ein Immigranten-Melodram (Panorama)

Ein kurzer Blick durch eine Autoscheibe, die beiden Frauen eine halbe Minute nebeneinander im Bett — soviel zum lesbian subplot, der eigentlich keiner ist, weil er einfach den Film beschließt und vorher keine Bedeutung hatte.

Nichtsdestotrotz war ein nicht unwesentlicher Teil des Publikums erschienen, weil Fotos und Rezensionen einen lesbischen Film erwartet ließen. „Chinese Chocolate“ handelt stattdessen von Entwurzelung, vom Aufeinandertreffen zweier Kulturen und den Problemen, die sich für Frauen daraus ergeben.

Die beiden Protagonistinnen kommen nach Kanada und sind dort auf sich allein gestellt. Nicht aus denselben, aber aus vielfältigen und ähnlichen Gründen: Sprachschwierigkeiten, keine Arbeitserlaubnis, der Mann, der sie nach Jahren aus China nachkommen ließ, hat längst eine andere Frau. So müssen sie sich auf Männer einlassen, meistens chinesische, mal auch kanadische, aber sie müssen sich prostituieren, weil sie nichts haben als sich selbst.

„Ich bin eine Frau mit ganz normalen Wünschen“, sagt Camille Peng aus dem Off, „alles, was ich will, ist ein Mann, eine Familie.“ Es dauert, bis sie ihr aus der Heimat mitgebrachtes Rollenbild ablegen können, solange sind sie noch mehr oder weniger hilflose Opfer der Männer, die die neuen Machtspielchen schneller erlernen.

Bei der hitzigen Diskussion, die sich der Vorführung des Films anschloß, sahen chinesische StudentInnen ihre eigenen Lebensumstände nicht adäquat abgebildet. Es gehe schließlich nicht nur um Sex, sagten sie und daß die Probleme vielfältiger seien. Zuviele typische Filme über ImmigrantInnen seien schon gedreht worden, hielten die beiden FilmemacherInnen dagegen.

„Es geht um Macht und Kontrolle“, sagte Co-Regisseurin Yan Cui, und das spiegele sich nun mal in der Sexualität. Komischerweise stellte niemand eine Frage zu den chinesischen Männern, die in diesem Film betrügen, hintergehen, ausnutzen, entweder fast zu Zuhältern werden oder zuhause sitzen und onanieren. Zwar wird keine der beiden Protagonistinnen geschlagen oder tatsächlich auf den Strich geschickt, aber der Schattenbereich wird ausgeleuchtet.

Und am Schluß bleibt dann doch die Frage, ob „Chinese Chocolate“ behauptet, daß Frauen lesbisch werden, weil die Männer solche Ekelpakete sind. Wenn ich eine Lesbe wäre, wäre ich wahrscheinlich beleidigt. Elmar Thinkow

„Chinese Chocolate“, Kanada 1995, 99 Min., Regie und Buch: Yan Cui & Qi Chang, Mit: Diana Peng, Shirley Cui u.a.

Heute um 21 Uhr im Filmpalast

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