Weniger Radio beim Hessischen Rundfunk: Große Unsicherheit beim HR
Der Hessische Rundfunk kündigt massive Sparmaßnahmen an. Viele Mitarbeitende, vor allem freie, fürchten um ihre Arbeitsplätze.
Der Hessische Rundfunk (HR) plant radikale Einsparungen im linearen Programmangebot. In der vergangenen Woche teilten Programmdirektorin Gabriele Holzner und Intendant Florian Hager den Mitarbeitenden des HR in einem virtuellen Forum mit: Bis 2032 soll der Anteil am Gesamtbudget, der bisher für lineare Radio- und Fernsehprogramme ausgegeben wird, deutlich kleiner werden.
Stattdessen solle mehr in den Digitalbereich investiert werden. Begründet wird die Entscheidung mit stetig sinkenden Hörerzahlen im Hörfunkbereich, die besonders bei jungen Menschen evident seien.
Konkret sehen die Pläne der Programmdirektion des HR so aus: Bis 2032 sollen nur noch drei der bisher sechs selbst produzierten Radiosender des HR in kompletter Eigenproduktion entstehen. Dabei werden, so heißt es in einer Pressemeldung, zwei der Sender aus dem Popularbereich betroffen sein, zu dem YouFM, HR1, HR3 und HR4 gehören. Zusätzlich solle künftig nur noch einer der beiden Informationssender HR2 oder HRInfo selbst produziert werden.
Geplant sind zudem Einsparungen im Personalbereich sowie bei Produktionsflächen. Bis 2032 sollen 15 Prozent der Stellen abgebaut werden, gleichzeitig wolle man zumindest „derzeit“ auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten, wie aus der dazu veröffentlichten Pressemeldung des HR hervorgeht. Stattdessen wolle man Stellen, die wegfallen, einfach nicht neu besetzen. Zudem setze man auf Weiterqualifikation, um die Mitarbeitenden auf neue Anforderungen vorzubereiten.
Gleichzeitig sind neue Stellen geplant: Jährlich zehn Mitarbeitende wolle man einstellen, um so fehlende Kompetenz auszugleichen. Etwa 40 Prozent des Budgets für Büro- und Produktionsflächen sollen wegfallen.
Unklare Strategie
Die Kritik an den geplanten Einsparungen beim HR ist groß: Mitarbeitende, Gewerkschaften und der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sind frustriert. So betont der Landesvorsitzende des DJV Hessen, Knud Zilian, in einem Podcast des DJV, die glaubwürdige Erfüllung des gesetzlichen Auftrags Öffentlich-Rechtlicher sei durch geplante Einsparungen akut gefährdet.
Denn unklar sei die zukünftige Strategie beim HR: „Wo genau wird bei linearen Inhalten gekürzt? Wohin wird umgeschichtet? Das ist bisher schleierhaft“, so Zilian. Zwar sei verständlich, dass eine zeitgemäße Erfüllung des gesetzlichen Auftrags erforderlich sei. Ohne einen echten Plan im Digitalen bei linearen Angeboten einzusparen, sei jedoch nicht zielführend.
Auf Anfrage der taz teilt der HR mit, man wolle ein digitaleres, jüngeres Programm schaffen und verweist auf bereits bestehende digitale Formate. Eine langfristige Zukunft für junge Formate im klassischen linearen Programm sehe man nicht.
Zilian kritisiert auch, dass die Grundlage der Entscheidung intransparent sei. Programme einzustampfen wäre ohne eine politische Entscheidung eigentlich nicht möglich und nicht die Aufgabe des Intendanten. Denkbar sei, dass die Politik die Anregung dafür gegeben hätte oder aber, dass die Führung des HR entschieden habe, um nachträglich eine politische Entscheidung zu bewirken.
Auch was den Umgang mit Mitarbeitenden angeht, wird die Entscheidung kritisch gesehen. So zeigt sich Zilian entsetzt über die Kommunikationsstrategie des HR, der bereits vor Bekanntgabe der Einsparungen an Mitarbeitende Informationen an die Presse herausgegeben habe.
Aus den Gewerkschaften gibt es ebenfalls Kritik. Anja Willmann von Verdi sagt der taz: „Es gibt eine riesengroße Unsicherheit unter den Mitarbeitenden. Denn wie die Strategie für die Zukunft beim HR aussieht, ist vielen unklar.“
So fürchteten viele Beschäftigte nun um ihre Arbeitsplätze. Besonders betroffen seien freie Mitarbeitende. „Es wird viel geredet, aber wenig gesagt. Die Mitarbeitenden sind beunruhigt. Aus Redaktionskreisen hört man Ähnliches: Bereits seit Monaten sei die Stimmung unter den Beschäftigten des HR katastrophal.
Viele Fragen bleiben nach der Ankündigung der Einsparungen in der vergangenen Woche offen. Unklar ist, wie die geplante Digitalstrategie aussehen wird, welche neuen Formate entstehen und inwiefern die Beschäftigten des HR in die Prozesse eingebunden werden sollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation