Wende in NRW-Affäre: Der schmutzige Umweltminister
Mit Korruptionsvorwürfen wollte ein NRW-Ministerium einen Exmitarbeiter mundtot machen. Nun ermittelt das LKA, ob unter Minister Uhlenberg (CDU) Geld umgeleitet wurde.
16. Juni 2006: Harald Friedrich, Abteilungsleiter im NRW-Umweltministerium, wird suspendiert und am 21. Juni fristlos gekündigt.
12. Juli: "Minister mistet aus. Abteilungsleiter gefeuert - wegen Korruptionsverdacht", titelt die Bild-Zeitung.
14. Juli: Auf einem Formblatt hält das LKA eine Anzeige des Ministeriums gegen Friedrich fest. Angezeigt worden seien Vorteilsnahme, Vorteilsgewährung und Verletzung des Dienstgeheimnisses, schreiben die Beamten. Anzeigenerstatter ist laut LKA der Justiziar des Ministeriums.
20. Juli: Umwelt-Staatssekretär Alexander Schink erstattet eine weitere Anzeige gegen Friedrich - "unter allen denkbaren strafrechtlichen Aspekten".
18. August: Schink erstattet noch eine Anzeige, nun wegen einer fehlenden Festplatte in Friedrichs Dienstcomputer.
25. Oktober: Im Arbeitsgerichtsverfahren einigt sich das Ministerium mit Friedrich, gibt eine "Ehrenerklärung" für den Exmitarbeiter ab und zahlt 75.000 Euro Abfindung.
29. Mai 2008: PFT-Skandal um verseuchtes Trinkwasser. Umweltminister Uhlenberg gerät unter Druck, Friedrich wandert in Wuppertal in Untersuchungshaft. Bundesweit sind 275 Polizeibeamte im Einsatz. 45 Objekte werden durchsucht. Friedrichs Telefon wird überwacht. Abgehört werden auch Journalisten und Politiker.
16. Juni: Staatssekretär Schink erstattet wieder Strafanzeige - wegen Geheimnisverrat.
20. Juni: Friedrich wird aus der U-Haft entlassen.
11. November: Der Haftbefehl wird auf Antrag der Staatsanwaltschaft Wuppertal aufgehoben. Der Verdacht der "Bandenbildung" zusammen mit 13 weiteren Beschuldigten habe sich nicht erhärtet. Auch sei kein Geld an Friedrich geflossen, sagt der zuständige Oberstaatsanwalt Ralf Meyer.
In der Affäre um angebliche Korruption im nordrhein-westfälischen Umweltministerium gerät Minister Eckhard Uhlenberg wie seine für Wirtschaft zuständige Kabinettskollegin Christa Thoben (beide CDU) ins Visier des Landeskriminalamts. Uhlenbergs Mitarbeiter hätten Gelder aus der Abwasserabgabe zweckentfremdet und etwa im April 2007 eine Reise Thobens nach Bulgarien unterstützt, vermuten Kriminalpolizisten. "Dem ersten Anschein nach dürfte es sich nicht um Projekte handeln, die der Zweckbindung der Abwasserabgabe entsprechen", schreibt ein Beamter der Ermittlungskommission "Stuhl" des Landeskriminalamts in einem Vermerk. Das auf den 9. September 2008 datierte Schreiben liegt der taz vor.
Bisher stand ausgerechnet einer der schärfsten Kritiker von Umweltminister Uhlenberg im Verdacht, die Abwasserabgabe missbraucht zu haben: der ehemalige Abteilungsleiter im NRW-Umweltministerium, Harald Friedrich. Der Grüne ist Experte für Wasserwirtschaft und hat sein Fachwissen seiner Partei immer wieder zur Verfügung gestellt, zuletzt im Skandal um verseuchtes Trinkwasser aus der Ruhr. Dieses war über Jahre mit krebserregenden perfluorierten Tensiden (PFT) belastet, wurde aber trotzdem an Millionen Haushalte zwischen Dortmund und Duisburg geliefert. Uhlenberg geriet deshalb so sehr unter Druck, dass bereits über seinen Rücktritt spekuliert wurde.
Auf dem Höhepunkt des PFT-Skandals aber wurde Friedrich plötzlich verhaftet und wanderte über drei Wochen in Untersuchungshaft. Korruption, Betrug und Untreue warf ihm die Staatsanwaltschaft Wuppertal wegen Zweckentfremdung der Abwasserabgabe vor. In Düsseldorf war von politischer Justiz die Rede - schließlich hatte Uhlenbergs Staatssekretär Alexander Schink den einstigen Abteilungsleiter selbst angezeigt. Mittlerweile sind die Korruptionsvorwürfe vom Tisch.
Dafür untersuchen die LKA-Ermittler jetzt die Wasserwirtschaftsinitiative NRW (WWI), die 2002 noch von der rot-grünen Landesregierung ins Leben gerufen wurde. Doch auch die von CDU und FDP gebildete Nachfolgeregierung schätzte die Initiative, die laut Eigenwerbung die "Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen sowie von Forschungseinrichtungen aus der Branche steigern" wollte. Das von der Christdemokratin Thoben geführte Wirtschaftsministerium trug 46 Prozent der Kosten, das Haus von FDP-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart war mit acht Prozent dabei, und das Umweltministerium von Minister Uhlenberg übernahm die restlichen 46 Prozent. "Die Mittel des Umweltministerium stammten aus der Abwasserabgabe", sagt der ehemalige WWI-Chef, der Aachener Professor Max Dohmann, dazu. Dabei darf die laut Gesetz nur für die Verbesserung der Wasserqualität, etwa durch den Bau von Kläranlagen oder Rückhaltebecken, verwendet werden.
Stattdessen haben Uhlenbergs Beamte wohl rund eine Million Euro in die Werbung der WWI gesteckt. Allein in die Unterstützung der Reise von Wirtschaftsministerin Thoben flossen laut einer WWI-Beschlussvorlage, die der taz vorliegt, mindestens 30.000 Euro. Bezahlt wurde damit etwa ein Seminar mit dem schönen Titel "How to do business in Romania and Bulgaria" ("Wie man Geschäfte in Rumänien und Bulgarien macht"). Immerhin sei der Flug von Thoben "wie üblich aus Reisekostenmitteln des Wirtschaftsministeriums finanziert" worden, heißt es dazu aus der Landesregierung.
"Die Sache stinkt", glaubt dagegen der Geschäftsführer der grünen Landtagsfraktion, Johannes Remmel. Umweltminister Uhlenberg habe seinen Exabteilungsleiter "kaltstellen" wollen, doch damit "eine Lawine losgetreten, die ihn selbst begräbt". Die SPD-Umweltexpertin Svenja Schulze spricht von einer "Hexenjagd" gegen Friedrich, die jetzt "zum Bumerang für die Landesregierung" geworden sei. Uhlenberg dürfe sich nicht länger hinter seinem Staatssekretär Schink verstecken, sagt auch seine grüne Amtsvorgängerin Bärbel Höhn: "Für einen älteren Grüßonkel ist der einfach zu gut bezahlt."
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