Weltwirtschaftsforum in Davos: Ökonomen watschen Sarkozy ab
Beim Weltwirtschaftsforum stößt die Forderung, die Währungspolitik besser zu koordinieren, auf Kritik. Sie halten ein zweites Bretton Woods schlicht für unrealistisch.
DAVOS taz | Schon während der Rede des Präsidenten schüttelten sie im Auditorium die Köpfe. Viele der Unternehmer und Bankchefs im großen Saal des Konferenzzentrums von Davos wollten nicht so recht glauben, was ihnen Nicolas Sarkozy in seiner Eröffnungsrede des Weltwirtschaftsforums da erzählte. Der französische Staatschef zog nicht nur mit äußerst deutlichen Worten gegen die Unmoral der Banken zu Felde, sondern forderte auch ein neues Weltwährungssystem. Dies halten viele Politiker und Ökonomen für komplett unrealistisch.
"Wir brauchen ein neues Bretton Woods", sagte Sarkozy am Mittwochabend in Davos. "Das geldpolitische Dumping einiger Staaten können wir nicht tolerieren." Der französische Präsident sprach damit China an, das seine Währung Renmimbi im Verhältnis zum Dollar und Euro künstlich niedrig hält - unter anderem, um seine Exportprodukte zu verbilligen.
Mit seiner Forderung nach einem "neuen Bretton Woods" verweist Sarkozy auf das Weltwährungssystem, das die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs ins Leben riefen. Bis Anfang der 1970er-Jahre waren die Kurse der wichtigsten Weltwährungen im Verhältnis zum US-Dollar festgelegt. Devisenspekulationen, die die Währungen einzelner Länder aus dem Gleichgewicht hätten bringen können, waren kaum möglich. 1973 aber brach das System wegen Überangebot und Entwertung des Dollar zusammen.
Seitdem schwanken die Kurse der Weltwährungen. Einzelne Länder, wie aktuell China, legen den Außenwert ihres Geldes nach nationalem Gutdünken fest. Das führt zu Krisenphänomen. Gegenwärtig verweist etwa US-Ökonom Nouriel Roubini darauf, dass Investoren hunderte Milliarden von den USA nach China verlagern, um mit den dort höheren Zinsen Gewinne zu machen. Deshalb entstehe dort eine neue gefährliche Spekulationsblase, so Roubini.
Ist es deshalb aber richtig, die Kurse der Weltwährungen koordiniert festlegen zu wollen? Viele Ökonomen beim WEF halten das für unmöglich. "Bindende Abmachungen über den Kurs ihrer Währungen würden den Handlungsspielraum der nationalen Regierungen einschränken", sagt etwa Raghuram Rajan, Wirtschaftsprofessor in Chicago und früherer Chefökonom des Internationalen Währungsfonds. Deshalb sei die Forderung nach gemeinsamer Wechselkurspolitik gut gemeint, aber unrealistisch, so Rajan. Ähnlich sieht es Roubini. "Die Koordination der Wechselkurse hat man schon vor 30 Jahren diskutiert. Es ist noch nie passiert, und es wird auch nicht passieren. Lassen Sie uns keine Zeit mehr mit solchen Debatten verschwenden."
Freilich gibt es auch Ökonomen, die ähnlich wie Sarkozy für eine abgestimmte Währungspolitik plädieren. So setzt sich etwa Peter Bofinger, Wirtschaftsberater der Bundesregierung, für das so genannte "managed floating" ein, bei dem die Kursschwankungen der Weltwährungen zumindest eingeschränkt würden.
Zhu Min, der in Davos anwesende Vizechef der chinesischen Nationalbank, hielt sich mit Blick auf den Wechselkurs des Renmimbi bedeckt. Während einer Diskussion spielte er den Ball aber an die USA zurück. Weil Währungsspekulationen "ein wirkliches Risiko für 2010" darstellten, müssten die Amerikaner etwas gegen "die niedrigen Zinsen" unternehmen.
Neben seinen Ausführungen zu Bretton Woods las Sarkozy den Bankern die Leviten. In seiner Rede, die eher dem Fernseh- als dem anwesenden Fachpublikum galt, schreckte er auch vor platten Formulierungen nicht zurück. Die Finanzkrise sei entstanden, weil "die Unternehmer den Spekulanten Platz machen mussten", wetterte er. "Die Finanzspekulation hat unsere Zukunft entwertet." Neben den ärgerlichen Blicken manches Vorstandsvorsitzenden erhielt Sarkozy allerdings auch stehenden Applaus einiger Zuhörer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“