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Weltwirtschaftsforum entblößtPulverfass im Schnee

Der Eklat um den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan zeigt: Das Treffen der selbst ernannten Weltverbesserer aus der Wirtschaft ist hinfällig. Die Veranstalter haben sich entblößt.

Erdogans Ausraster zeigt: Mit Wirtschaftsboss-Kaffekränzen kann man nicht die Welt retten. Bild: dpa

Die reichsten und mächtigsten 2.500 Persönlichkeiten dieser Welt treffen sich in alpiner Höhenluft und netter Klönatmosphäre in den Schweizer Bergen. Sie debattieren auf Podien scheinbar unverfänglich über die Probleme dieser Erde in einem Ambiente, das an ein Uniseminar von Weltverbesserersoziologen erinnert. Man könnte annehmen: ein ehrenwertes Ansinnen von Klaus Schwab, Wirtschaftswissenschaftler, Gründer und Präsident des alljährlichen Weltwirtschaftsforums (WWF) im schweizerischen Davos.

Solange die globale Wirtschaft halbwegs funktioniert und die Brennpunkte dieser Welt nicht völlig zum Flächenbrand ausarten, lässt sich dieser Schein eines heilen Zusammenlebens zumindest für diese drei Januartage im Jahr auch aufrechterhalten. Doch in Zeiten einer gigantischen Weltwirtschaftskrise und des höchst dramatischen Pulverfasses Naher Osten zeigt sich, was das Treffen von Davos tatsächlich ist: eine unverfrorene Selbstüberschätzung der Veranstalters sondergleichen.

Der Eklat um Recep Tayyip Erdogan auf einer Podiumsdebatte in Davos am Donnerstag hat das deutlich gemacht: Zornig verließ der türkische Ministerpräsident die Bühne mit den Worten: "Ich glaube nicht, dass ich nach Davos zurückkommen werde." Diesem Wutausbruch ging eine Diskussion über den Gazakrieg voraus, an der auch Israels Präsident Schimon Peres, UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amru Mussa, teilnahmen. Zuvor hatte der israelische Präsident 20 Minuten lang den Feldzug gegen die radikalislamische Hamas im Gazastreifen nachdrücklich verteidigt und auch mehrmals Erdogan direkt angesprochen.

Der türkische Regierungschef wollte kontern. Moderator David Ignatius, Kolumnist der Washington Post, willigte ihm nur widerwillig einige Minuten ein. Erdogan redete sich in Rage. Tote Kinder habe es gegeben, "totgeschossene Kinder am Strand", schimpfte der türkische Ministerpräsident. Als der völlig überforderte Moderator Ignatius versuchte, mit penetrantem Schulterklopfen ihn am Weiterreden zu hindern, platzte Erdogan der Kragen: "Unterbrechen Sie mich nicht!" Er fügte hinzu: "Davos ist erledigt für mich." Er riss seine Kopfhörer herunter und verließ in Begleitung seines Außenministers Ali Babacan, des neuen Beauftragten für den EU-Beitritt Egemen Bagis sowie ihrer Ehefrauen die Kongresshalle. Alles Flehen des Moderators, länger zu bleiben, brachte nichts. Noch am selben Abend flog Erdogan ab und wurde frühmorgens unter dem Jubel tausender türkischer Nationalisten am Flughafen von Istanbul begrüßt. Der Eklat war perfekt.

Was als Entgleisung interpretiert werden könnte, die immer mal wieder auch in besseren Kreisen vorkommt, ist eine schallende Ohrfeige für Hauptorganisator Klaus Schwab und stellt das WWF an sich infrage. Denn Erdogans Ausfall zeigt: Der Glaube, unvorbereitet mal so eben ein paar Staats- und Regierungschefs aufs Podium zu bitten, damit sie zu brisanten Weltkonflikten ihre Sicht der Dinge darlegen, ist nicht nur leichtfertig, sondern zutiefst anmaßend. Monatelange Verhandlungen von höchsten Diplomatenkreisen werden nicht zur Kenntnis genommen und damit bagatellisiert. Dahinter steckt die naive und zugleich verantwortungslose Vorstellung des Veranstalters, alles ließe sich lösen - solange das Ambiente stimmt.

Auch der G-8-Gipfel wurde vom damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt und dem französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard dEstaing 1975 auf Schloss Rambouillet ins Leben gerufen (damals noch G 6), um bei netter Atmosphäre unbefangen über die Probleme der Welt zu plaudern. Doch längst steckt hinter dem alljährlichen Großgipfel ein Apparat von tausenden Diplomaten und Politikstrategen, die das ganze Jahr mit nichts anderem beschäftigt sind, als sich auf diese "Kamingespräche" vorzubereiten.

Davos hingegen wird von einem Tross größenwahnsinniger Manager um Klaus Schwab getragen, die für sich das Wissen in Anspruch nehmen, die Welt zu verstehen. Teilnehmen dürfen all die 1.000 Konzernchefs samt Gattinnen, deren Firmen einen höheren Jahresumsatz als vier Milliarden Dollar haben - zumeist deckungsgleich mit den Managern, die gerade mit Ach und Krach versuchen, ihre Unternehmen durch die Turbulenzen zu steuern, in die sie sie selbst gestürzt haben.

Mit Erdogans Ausfall fällt diese Selbstüberschätzung nicht nur Klaus Schwab auf die Füße. Der Eklat hat brisante Auswirkungen auf das türkisch-israelische Verhältnis und den Konflikt im Nahen Osten insgesamt - hatte sich die Türkei doch bislang als Mittler zwischen Israel und der islamischen Welt bemüht. Eine ungeschickte Moderation hat daraus eine diplomatische Krise gemacht.

Man mag zu Erdogans Israelkritik stehen, wie man will. Der Vorfall von Davos zeigt vor allem: Kaffeekränzchen von Wirtschaftsbossen, die fernab jeglicher demokratischer Legitimität von sich glauben, die Welt retten zu können, sollten nicht der Ort sein, an dem Einfluss auf Kriege, Terrorbekämpfungsmaßnahmen und Krisenherde genommen wird.

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12 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • TE
    Thomas Escher

    Hallo zusammen,

     

    für alle die schon immer mal mit einem Macher über den tieferen Sinn und Zweck des Davoser Wirtschaftsforums sprechen wollten gibt es am kommenden Montag die Chance dazu:

     

    André Schneider, Generaldirektor des World Economic Forums (WEF), spricht am Montag, 16. Februar, in seinem Vortrag an der FU Berlin über das diesjährige Zusammenfinden des WEF in Davos, dass dieses Jahr ganz im Zeichen der Finanzkrise stand.

     

    Ort: FU Berlin, Fachbereich Wirtschaftswissen-schaft, Garystr. 21, Hörsaal 104, 14195 Berlin-Dahlem (U-Bhf. Thielplatz, U3) von 18:00 Uhr bis 20:00 Uhr, Eintritt frei.

  • A
    alex

    danke herr krause. manchmal glaube ich hier sind nur altlinke hilfschüler die durch ihre arafatwindel nichts mehr sehen.

     

    @antonio

    was soll den so ein beitrag? woher weißt du dass alle unschuldig waren? es ist/war krieg.

    was für eine heldenhafte leistung zivile opfer zu beklagen.

     

    mann mann mann

    hier isses stellenweise wie bei der bz

  • M
    Munna

    Sehr schöner Artikel.

    Die ganze Debatte kann man sich als deutschen WebCast auf weforum.org ansehen. Das sollte man auch tun, dann wird einiges klarer.

    Ich habe die ganze Debatte gesehen und meine, daß Herr Erdogan genau das Richtige getan hat.

    Ein Unding, ihn nicht ausreden und reagieren zu lassen. Kaum hatte Hr. Erdogan das Podium verlassen, musste Hr. Schwab eine Ansprache zum Besten geben. Die war wohl wichtiger... Und was hatte Herr Schwab Wichtiges zu verkünden? "Lasst uns um Obama und Mitchell's Hilfe beten."

  • A
    Amos

    Man merkt es mehrend: Globalisierung ist Rückschritt

  • B
    Beobachter

    Erdogan hat total recht und ist auch in der Lage Kritik an Israel auszuüben. Israels existens hängt von der Türkei ab. Sie brauchen Nahrungsmittel, Wasser, millitärische Koopertation gegen arabische Staaten.

  • A
    archimedes

    Mal abgesehen von der Debatte, ob die Toten & Verletzten des letzten Gazakrieges primär der Hamas und dem Iran und ähnlichen Kräften zuzuschreiben sind, ober Israel, das sich seit 1948 schon oft auf durchaus fragwürdige Weise verteidigt, oder allen Kriegsparteien, bzw. zu welchen Anteilen ungefähr (was sich sicher nicht rational eindeutig "ausrechnen" lässt!),

     

    davon also abgesehen: Waren wirklich die Mächtigsten Leute alle dort? Wie definieren wir Macht? Manche Person x hat z.B. zwar mehr Kapital (in US Dollarwerten gerechnet), aber es kann durchaus eine Person y geben, die weniger, hat, aber doch Entscheidungen trifft, die für mehr Menschen schwerwiegende Folgen haben, ohne dass diese Menschen viel dagegen tun können. Oft ist außerdem Macht gar nicht so einfach personalisierbar, sondern es sind so etwas wie Cluster von eingeschliffenen etablierten "Regeln" des Fühlens, Denkens, Verhaltens.

     

    Wie dem auch sei, bitte die Abkürzung "WWF" nicht diesen Leuten überlassen!

     

    Und was die Absichten bei solchen Treffen angeht, vielleicht sind ja doch ein paar ehrlich wohlwollende dabei, die denken, dass solche mächtigen Leute zusammen geführt werden sollten, gerade w e i l sie so mächtig sind (und ja diese Macht nicht ohne weiteres aufgeben) und dass dies vielleicht auch eine Chance sei, mehr zu verändern, als wenn nur viele viel weniger Mächtige sich treffen. Und vielleicht sind ja manche von ihnen auch weniger böswillig, als mächtig, und dann wäre diese Überlegung nicht ganz so absurd (obwohl ich selbst kein Freund von solchem Schickeria-Pomp bin).

  • P
    Polyphem

    "hinfällige Weltverbesserer..."

    Hierzu Erich Kästner

    "Maskenball im Hochgebirge"

     

    ...

    ...

    "Das Gebirge machte böse Miene.

    Das Gebirge wollte seine Ruh.

    Und mit einer mittleren Lawine

    deckte es die blöde Bande zu.

     

    Dieser Vorgang ist ganz leicht erklärlich.

    Der Natur riß einfach die Geduld.

    Andre Gründe gibt es hierfür schwerlich.

    Den Verkehrsverein trifft keine Schuld.

     

    Man begrub die kalten Herrn und Damen.

    Und auch etwas Gutes war dabei:

    Für die Gäste, die am Mittwoch kamen,

    wurden endlich ein paar Zimmer frei."

  • A
    Antonio

    Krause das geht an dich!

    Unzwar sind immerhin 1300 Menschen gestorben und nicht irgendwelche Karikaturen in Zeitung veröffentlicht. Was rechtfertigt israel das die unschuldige palistenänser töten. sagen wir mal ein beispiel, seit 1960 sind 2000 israelis von Palistenenser getötet worden und umgekehrt sind 50000 palistenänser tot. Ich verstehe die Palistenenser was für ein Zorn in sich tragen und HASS! Stell mal vor deine famiele und freunde sind gestorben wegen die "böse Osten", was würdest du alleine machen? Eine fessel Bombe an dich legen oder würdest du dich mit Nazi`s anschließen oder besser gesagt mit Kuk Kuks Clan weil das ein Farbiger war der das alles angerichtet hat und noch dazu Moslem ist. machst du auch dann irgendwelche anschläge in istanbul oder in Mekka? Ja, das waren ja die Bösen Moslems die Amerika und Europa erschafen hat.

  • A
    azime

    "Rütli-Schüler",diese Bemerkung finde ich geschmacklos und unangemessen. Erdogan hat meiner Meinung nach einfach nur ganz klar Stellung bezogen. Ich denke nicht, dass Erdogan jemals ein großes Interesse daran gehabt hat einen EU- Beitritt voranzutreiben, und zwar genauso wenig wie die EU jemals die Absicht hatte ernsthaft die Türkei mit ins Boot zu holen. Ganz egal wo oder wann. Diese Äußerung und Geste ist meiner Meinung nach ganz klar ein "politisches Bekenntnis"... We go east

  • FK
    Felix Krull

    "Kaffeekränzchen von Wirtschaftsbossen, die fernab jeglicher demokratischer Legitimität von sich glauben, die Welt retten zu können"

     

    Ja, sehr schön gesagt. Man weiß ja auch, wie die taz sich schon immer vehement gegen jede nicht demokratisch legitimierte und außerparlamentarische Opposition engagiert hat. Weiter so!

  • E
    Erol

    Hervorragend geschrieben. Ergänzung: Erdogan hat meiner Meinung nach absolut recht. Es sind immerhin 1300 Menschen gestorben

  • K
    Krause

    Hallo, was ist das für ein Kommentar. Ich habe keine Meinung dazu, ob Davos sinnvoll ist oder nicht. Aber nur weil ein Staatspräsident ausgetickt ist wie ein Rütli-Schüler, ist doch nicht der Organisator schuld, allensfalls der Moderator, aber dies kann vorkommen. Vielmehr sieht man hier die übliche islamische Kausalkette: Muslim rastet aus (wegen Karikatur, Israelflagge) und der böse Westen ist schuld.