Weltweiter Gentech-Handel: Wofür müssen Konzerne haften?
Auf der UN-Konferenz über biologische Vielfalt sollen internationale Haftungsregelungen für Gentech-Waren verabschiedet werden. Doch selbst grundlegende Fragen sind noch ungeklärt.
BONN taz Was passiert, wenn genveränderte Organismen Schäden verursachen? Wer zahlt für die Zerstörung anderer Pflanzen, für Ernteausfälle oder Gesundheitsschäden? Diese Fragen stehen derzeit im Mittelpunkt der UN-Verhandlungen zur biologischen Sicherheit in Bonn. Und der Druck, bis Freitag Antworten darauf zu finden, wächst. Nach jahrelangen Verhandlungen müssten die Vertragsstaaten ihre Zusage einlösen, sich bis 2008 auf Haftungsregeln zu einigen, sagte gestern der Generalsekretär der UN-Konvention über Biologische Vielfalt, Ahmed Djoghlaf. "Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit."
Offizielle Statistiken über weltweite Gentechnikschäden gibt es nicht. Doch allein die Umweltorganisationen Greenpeace und Genewatch UK listen für das Jahr 2007 in 23 Ländern insgesamt 39 neue Fälle auf, in denen Ernten gentechnisch verunreinigt wurden. Vor möglichen Entschädigungen sind aber noch viele Grundsatzfragen zu klären.
So gibt es derzeit keine Einigkeit darüber, welche Arten von Schäden von dem Vertrag erfasst werden sollen. Die Industrie wünscht eine strikte Begrenzung auf Schäden an der Biodiversität, die durch langjährige Vergleiche ermittelt werden müssten. "Nur das ist die Aufgabe dieser Verhandlungen", sagte Thomas Carroto von Croplife International, einem Zusammenschluss der Agroindustrie, der taz. Verhandelt wird derzeit aber auch darüber, Folgeschäden für die Umwelt und die menschliche Gesundheit einzubeziehen. Nichtregierungsorganisationen fordern zudem eine Ausweitung auf wirtschaftliche Schäden. "Ein gutes Abkommen würde kein Opfer unentschädigt lassen", sagte die Biologin Christine von Weizsäcker bei der Gegenkonferenz Planet Diversity, die derzeit ebenfalls in Bonn stattfindet.
Unterschiedliche Vorstellungen gibt es auch zu der Frage, wer konkret für Schäden zahlen soll. Die Industrie setzt auf eine Lösung, bei der jedes Unternehmen selbst verantwortlich ist. Greenpeace hingegen fordert einen Fonds, in den alle Unternehmen einzahlen müssten. Andere Organisationen setzen auf eine Versicherungslösung. Wenn der Vertrag Staaten die Möglichkeit einräumte, eine verbindliche Absicherung gegen Gentechnikschäden einzufordern, wäre das ein effektives Mittel gegen Gentechnik-Importe, argumentiert von Weizsäcker. "Versicherungen haben ein wirtschaftliches Interesse daran, mögliche Gentechnikschäden realistisch zu betrachten. Darum bieten sie bisher keine Absicherung an." Bei einer solchen Lösung bestünde auch nicht mehr die Gefahr, dass die Welthandelsorganisation dagegen vorgeht.
Streitpunkt ist auch die Definition der Haftung, berichtete der Anwalt Duncan Currie, der für Greenpeace an den Verhandlungen teilnimmt. Bei einer "Verschuldungshaftung" würden Unternehmen nur bei individueller Schuld zur Rechenschaft gezogen werden. Eine "Gefährdungshaftung" hingegen zwingt zum Ausgleich von Schäden unabhängig von schuldhaften Fehlverhalten. Die Idee ist - wie beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs -, ein erhöhtes Risiko generell abzudecken. Strittig ist zudem die Beweislast: Muss ein Betroffener - wie von der Industrie gefordert - beweisen, dass das Unternehmen den Schaden verursachte, oder müssen die Konzerne die Unschädlichkeit ihrer Produkte nachweisen, wie es die Gentechnikkritiker wünschen?
Ob es bis Freitag einen Kompromiss gibt, dem alle 147 beteiligten Staaten zustimmen, ist offen. Während das UN-Sekretariat darauf setzt, dass eine weitere Verzögerung niemandem nützt, erklären die Gentechnikkritiker, dass ein unverbindliches Abkommen im Zweifel schlechter sei als gar keins.
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