Weltweit am meisten Menschen ohne Job: Arbeitslosenrekord in Gaza
Laut UN-Flüchtlingshilfe beläuft sich die Arbeitslosenrate im Gaza-Streifen auf 45,5 Prozent. Als einer der Hauptgründe gilt Israels Blockade.
JERUSALEM taz | Die Arbeitslosenzahlen im Gazastreifen steigen weiter an. In einem am Montag von der UN-Flüchtlingshilfe UNRWA (United Nations Relief and Works Agency) veröffentlichten Bericht, heißt es, dass "die Arbeitslosenrate mit 45, 5 Prozent eine der höchsten weltweit ist". Kombiniert mit gleichzeitig leicht sinkenden Löhnen habe das "Folgen auf die Armutsrate". Einem Bericht der WHO zufolge, lag die Armutsrate im vergangenen Jahr bei 52 Prozent.
Grund für die Misere ist in erster Linie die Blockade und das israelische Ausfuhrverbot von Waren aus dem Gazastreifen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, als Israel die Grenze für den Export von Früchten und Blumen kurzzeitig öffnete, können die Bauern ihre Produkte weder nach Israel noch ins Westjordanland oder nach Europa vermarkten. Deshalb ging die Zahl der landwirtschaftlichen sowie der Handwerksbetriebe in den vergangenen fünf Jahren stetig zurück. Einen überraschenden Anstieg der Stellen gab es dagegen im Baugewerbe, wo trotz des Einfuhrverbots von Baumaterial mehr als 1000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden konnten. Ajluni stützt seine Untersuchung auf das zweite Halbjahr 2010.
Der Bericht lässt einen Trend zur Stärkung des öffentlichen Sektors und zur Schwächung des privaten Sektors erkennen. Dies lässt sich dadurch erklären, dass zahlreiche Stellen doppelt besetzt sind. Die Palästinensische Autonomiebehörde zahlt den von der Fatah eingestellten Beamten ihre Gehälter weiter, auch wenn sie ihren Beruf nicht mehr ausüben dürfen. Diese Beamten sind zumeist im Fatah-Sicherheitsapparat in Gaza, in der Verwaltung, im Gesundheitssektor wie im Schulbetrieb angestellt.
Während es im öffentlichen Sektor mehr Stellen gibt, schrumpft der private Sektor. Unter dem Strich bleibt die Entwicklung beider Sektoren jedoch negativ. Demnach gibt es 2,9 Prozent mehr Arbeitsplätze im öffentlichen Bereich und 7,7 Prozent weniger im privaten Sektor.
Diese für die Wirtschaft nicht gerade gesunde Tendenz ist in den Flüchtlingslagern noch stärker ausgeprägt als unter den alteingesessenen Palästinensern in Gaza. Unter den Flüchtlingen sind schon heute 53 Prozent der Angestellten im öffentlichen Bereich tätig, während im Gazastreifen insgesamt der private Sektor noch leicht vorn liegt. Laut Bericht arbeiteten zum Jahreswechsel etwa 90.000 Palästinenser im öffentlichen und nur noch knapp 100.000 im privaten Sektor.Im Gazastreifen leben rund 1,6 Millionen Menschen, 500.000 von ihnen in Flüchtlingslagern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels