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Archiv-Artikel

Weltmeister-Träume Ball, flieg höher als die Traufhöhe!

Dietmar Demuth, ehemals Trainer des FC St. Pauli, umschrieb seine Taktik mit dem klugen Satz: „Wir müssen versuchen, den Gegner durch permanentes Toreschießen zu zermürben.“ Die Grünen machen es genauso und nutzen die Diskussion über die Ku’damm-Sperrung zur Weltmeisterschaft, um ihre Uraltforderung von autofreien Innenstädten neu aufzulegen. Sie tun gut daran.

Kommentar von ULRICH SCHULTE

Denn egal wie man oder frau zum allgegenwärtigen Thema Fußball steht, schon jetzt ist zu beobachten: Das große Experiment WM begeistert, es regt selbst Bezirkspolitiker zu freiem Denken an, es macht die Stadt zur Spielwiese. Oder, um im Bild zu bleiben: Ein Torwartabschlag auf Weltklasse-Niveau fliegt eben höher als die Berliner Traufhöhe.

Berlin war schon immer gut darin, durch Provisorien neue Erkenntnissen zu gewinnen. Ex-Verkehrssenator Strieder musste das Brandenburger Tor erst probeweise für Autos dicht machen, damit die Stadt den Pariser Platz schätzen lernte. Junge Kreative mussten sich den Palast der Republik als Kunstort erkämpfen, die Zwischennutzung läuft bis heute. Auch die WM wird als Katalysator funktionieren – und übrig bleibt ziemlich sicher die charmante Ironie, dass ausgerechnet ein wildes Fest entschleunigte Stadträume schafft.

Die BerlinerInnen werden das Flanieren und Feiern neu lernen. Und die Händler, die im Moment panisch warnen, werden sich beruhigen. Ein gelungener Einkauf hängt von anderen Faktoren ab, als die Tüte schnell in die parkende Blechkiste schleppen zu können. Charlottenburg-Wilmersdorf ist also zu wünschen, dass die Sponsorensuche nicht einer anderen, weisen Fußballerregel folgt: „Zuerst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu.“ (Jürgen Wegmann, einst Borussia Dortmund)