Weltfußballer Messi schwächelt: O Gott, was hat er nur?
Viermal wurde er zum besten Fußballer der Welt gewählt. Zurzeit aber agiert Lionel Messi eher verhalten. Es kursieren steile Thesen, warum das so ist.
BARCELONA taz | Vor drei Jahren standen auf dem Podium der Wahl zum Weltfußballer des Jahres drei kleine Männer: Lionel Messi, Andrés Iniesta und Xavi. Propheten eines neuen Fußballs, eines sublimen Spiels der Technik, der vielleicht besten Mannschaft der Geschichte. Es fühlt sich an, als sei das lange her. Im Herbst 2013 rangiert der FC Barcelona mit 34 von 36 möglichen Punkten auf Platz eins der spanischen Liga und kann am Mittwoch mit einem Sieg gegen den AC Milan das Champions-League-Achtelfinale buchen. Aber sein furioses Trio wird dabei eher so mit durchgeschleppt.
Barça wirkt schmucklos momentan, und zwar kurioserweise immer besonders dann, wenn der rotationsfreudige Trainer Gerardo „Tata“ Martino seine vermeintliche Galaformation aufbietet. Die brutale Statistik dazu: Mit Messi, Xavi und Iniesta gemeinsam auf dem Platz schießt Barça in dieser Saison im Schnitt 1,1 Tore pro Spiel.
Ohne zumindest einen aus dem Trio jedoch 1,9. Gewonnen wird dank neuer Variablen, des genialen Neymar und des wüsten Alexis Sánchez, die zuletzt auch das einzige Tor eines zähen Derbys gegen Espanyol komponierten, oder dank des dynamischen Cesc Fàbregas. Es ist ein Wandel, der zu Debatten führt: Ob mit Xavi und Iniesta auch die Einzigartigkeit von Barcelonas Spiel pausiert. Und: Was ist los mit Messi?
So etwas wie Krise gab es bei ihm bislang ja nicht. Dass einem Fußballer mal in vier Ligaspielen am Stück kein Tor gelingt, wäre bei anderen Berufskollegen nicht mal erwähnenswert. Bei einem, der vorige Saison in 21 Ligapartien am Stück mindestens ein Tor schoss, ist das etwas anderes – es kam seit zweieinhalb Jahren nicht mehr vor.
Immerhin traf Messi vor zwei Wochen beim Hinspiel in Mailand (1:1), doch wer genau hinsah, konnte auch vor diesem Tor eine Schludrigkeit in der Ballführung erkennen. Vorigen Dienstag beim Spiel in Vigo (3:0) war er dann selbst schon so genervt, dass er die Schlussphase in ein Privatduell mit dem gegnerischen Keeper umfunktionierte und so ein höheres Ergebnis verspielte. Details bloß, Fußnoten, die Tore werden schon wiederkommen, dafür ist er schlicht zu gut. Weit mehr irritiert die Gestalt seiner Auftritte, die zwischen partieller Teilnahme und Apathie zu schwanken scheint. Oder ist es sogar Hilflosigkeit?
Fehlende Explosivität
„Ich bin körperlich noch nicht bei 100 Prozent“, teilte er am Wochenende über das asiatische Social Network Weibo mit – eine selten klare Äußerung für seine Verhältnisse und wohl der Versuch, das Mysterium seiner Schaffenspause einzudämmen. Tatsächlich erlitt Messi seit seiner Muskelverletzung im Champions-League-Viertelfinale gegen Paris vorige Saison fünf weitere Blessuren ähnlichen Typs, zuletzt Anfang Oktober. Im Ergebnis fehlt die Explosivität. Oder er denkt, dass sie fehlt: Die Zeitung Sport berichtet unter Hinweis auf Vereinsquellen, dass die Angst vor weiteren Verletzungen zu einer mentalen Blockade geführt habe.
Eine weniger dramatische, aber umso unfreundlichere Interpretation hat er ausgerechnet seinem argentinischen Landsmann Javier Mascherano zu verdanken. Der Klubkollege plauderte in einem Interview davon, dass Messi versuche, „sich zu dosieren“, um in Bestform zur Weltmeisterschaft in Brasilien zu kommen. Eine denkwürdige WM ist das einzige, was dem vierfachen Weltfußballer noch fehlt, um über alle Zweifel erhaben als der Größte in die Geschichte einzugehen. Da dürfen es auch mal ein paar Tore weniger für den Klub sein als die 233 (!) der letzten vier Spielzeiten.
Barcelonas Trainer Martino hat demnach die Aufgabe, den teuren Angestellten zu Höchstleistungen anzuspornen. „Weder mache ich mir Sorgen noch wirkt Leo auf mich besorgt“, sagt der Trainer, andererseits sah er selbst schon genug Handlungsbedarf, um Messi gegen Real Madrid auf die Rechtsaußen-Position zu beordern, seine „alte“ Position.
Martino soll auch die Verpflichtung eines klassischen Mittelstürmers fordern, vielleicht Dortmunds Robert Lewandowski, vielleicht schon zur Winterpause. Messi würde dann dahinter spielen, so wie bei der argentinischen Nationalelf hinter Gonzalo Higuaín. Er würde ein bisschen mehr Zehner sein, ein bisschen mehr Maradona. Es wäre ein Risiko, denn in der Nationalelf erreichte er bisher nie dieselbe Blüte wie in Barcelona.
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