piwik no script img

Weiterer Rücktritt in Hessens KabinettMinisterschwund bringt Koch in Not

Der Rücktritt von Ministerin Wolff verkompliziert das Patt nach der Hessen-Wahl. Wenn Ministerpräsident Koch vorerst im Amt bleibt, dann mit einem Rumpfkabinett.

Es wird einsam um Ministerpräsident Koch: Kultusministerin Wolff will gehen Bild: dpa

WIESBADEN taz Mit dem Rücktritt von Kultusministerin Karin Wolff am Mittwoch und der bereits vor der Hessenwahl angekündigten Demission von Wissenschaftsminister Udo Corts noch vor dem Ende der Legislaturperiode haben sich die ohnehin schwierigen hessischen Verhältnisse weiter verkompliziert. Denn sollte tatsächlich der Fall eintreten, dass die bisherige Landesregierung unter Ministerpräsident Roland Koch über das Ende der Legislaturperiode hinaus geschäftsführend im Amt bleibt, weil sich die im Landtag vertretenen Parteien nicht auf die Bildung einer neuen regierungsfähigen Mehrheit verständigen können, muss Koch mit einem Rumpfkabinett weitermachen.

Das dürfte ihm schon jetzt schlaflose Nächte bereiten. Bei der CDU angedacht ist die Mitbetreuung des Kultusministeriums durch den amtierenden Justizminister Jürgen Banzer. Die Landesverfassung gestattet es Koch darüber hinaus, noch bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode am 5. April neue Minister in sein Kabinett zu berufen, die dann geschäftsführend mit im Amt bleiben könnten und auch müssten, falls es an diesem Tag der ersten Sitzung des neuen Landtags nicht zur Wahl eines Ministerpräsidenten kommen sollte. Zurücktreten kann dann kein Kabinettsmitglied mehr; Koch auch nicht.

Geschäftsführend weiterregieren könnte tatsächlich der Ausweg aus der aktuellen Misere von Koch sein - allerdings nur für Koch. Denn einer neuen Regierungsbildung unter Führung der Union steht vor allem Koch selbst im Wege. Mit Koch ist weder die Installation einer großen Koalition noch die einer "Schwarzen Ampel" aus CDU, FDP und Grünen auch nur vorstellbar. Dass mit der hessischen SPD unter Führung von Andrea Ypsilanti und ihrem Generalsekretär Norbert Schmitt keine große Koalition arrangiert werden kann, hat der Koch bereits begriffen. "Jamaika" heißt jetzt das Zauberwort in der Staatskanzlei. Die FDP wäre laut Aussage von Partei- und Fraktionschef Jörg-Uwe Hahn dafür auch zu haben, falls sich die Grünen von wesentlichen Punkten ihres Programms verabschiedeten, wie Hahn süffisant anmerkte.

Das aber haben die Grünen nicht vor. Schwarz-Grün plus Gelb mögen nämlich vor allem die potentiellen Grünwähler nicht. In Frankfurt sind die Grünen bei der Hessenwahl auch deshalb dramatisch eingebrochen, weil sich die Partei im Rathaus mit der Union und dem für eine Mehrheit eigentlich überflüssigen Stützrädchen FDP auf ein Regierungsbündnis eingelassen hat - unter Ausklammerung so existenzieller Fragen für die Grünen wie etwa der nach dem Flughafenausbau. Die Grünen haben in ihrer einstigen Hochburg Frankfurt mehr als ein Viertel ihrer Wähler verloren. Mit Koch gehe schon gar nichts, heißt es bei den Grünen weiter. Und ohne Koch? Auch nichts. Schließlich bleibe die hessische CDU die hessische CDU, ob nun mit oder ohne Koch. Mit der Linken will man jetzt reden; aber eben nur reden. Die SPD will nur noch mit den Grünen sprechen. Bei Koch und Hahn war Ypsilanti schon - zum Tee.

Ypsilanti hält dennoch weiter am Glauben an eine Ampelkoalition fest, obgleich FDP-Chef Hahn vor und nach diesem Sondierungsgespräch mit der Sozialdemokratin zu Wochenbeginn eine Koalition seiner Partei mit SPD und Grünen "definitiv ausgeschlossen" hat. Ypsilanti sagt jetzt gar nichts mehr dazu und hält das "für eine neue Kultur des Umgangs miteinander." Und dann lässt sie doch noch etwas verlautbaren: "Ich strebe eine eigene Mehrheit ohne die Linkspartei an und will mich von dieser Mehrheit am 5. April zur Ministerpräsidentin wählen lassen."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!