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Weiterer Abgeordneter verläßt die Tories

■ Zwei-Stimmen-Mehrheit im britischen Unterhaus unberührt – er wurde ohnehin nicht mehr mitgezählt

London (AFP/taz) – Nur einen Tag nach dem Parteitag in Bournemouth, auf dem die britischen Konservativen demonstrativ innerparteiliche Einheit zur Schau gestellt hatten, ist Premierminister John Major durch einen weiteren Überläufer unter Druck geraten. Der konservative Abgeordnete Peter Thurnham kündigte am Samstag abend an, er werde den Tories den Rücken kehren und sich der Liberaldemokratischen Partei anschließen. Er ist der dritte Abgeordnete innerhalb eines Jahres, der die Konservativen verläßt. Seine Entscheidung hat allerdings keine Auswirkungen auf die Mehrheitsverhältnisse im Parlament, weil Thurnham bereits seit mehreren Monaten nicht mehr als Fraktionsangehöriger gezählt wurde.

Der 58jährige Thurnham, der seit 1983 im Abgeordnetenhaus sitzt, begründete seinen Schritt damit, daß er keine Regierung mehr unterstützen könne, „die die Werte des Anstands verloren hat und das Vertrauen und den Respekt des britischen Volkes enttäuscht“. Zugleich kritisierte er die „schwache Parteiführung“ und den mangelnden Zusammenhalt der Regierung, die die internationale Position des Landes geschwächt habe.

Bei den Liberaldemokraten, die mit 26 Abgeordneten drittstärkste Kraft im Parlament sind, wurde die „mutige Entscheidung“ Thurnhams begeistert aufgenommen. Die Tories bemühten sich in einer Erklärung, den Vorfall herunterzuspielen. „Das verändert nichts. Unsere Mehrheit beträgt nach wie vor zwei Stimmen.“ Außerdem sei der Parteiaustritt nicht überraschend gekommen, sondern habe sich bereits angedeutet. Dennoch: Nach dem Tory-Kongreß letzte Woche, wo die Parteitagsregie die Delegierten Puschel-schwenkend die Einheit beschwören ließ und Debatten zum Europathema weitgehend vermieden hatte, ist der Austritt Thurnhams ein Schlag ins Kontor. Wenige Monate vor den Wahlen, die im Frühjahr stattfinden müssen, liegen die Tories Meinungsumfragen zufolge etwa 20 Prozentpunkte hinter der Labour- Partei von Tony Blair.

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