Weitere abgelehnte Einbürgerung: Auch zu links für einen deutschen Pass
Der Abiturient Aram A. ist, wie Jannine Hamilton, perfekt integriert. Doch einen deutschen Pass bekommt er in Niedersachsen nicht: Er ist in der falschen Jugendorganisation.
![](https://taz.de/picture/320081/14/demo_hannover.jpg)
Aram A. ist 20 Jahre alt und ein Beispiel, wie perfekt Integration manchmal funktioniert. Im Jahr 2000 kam er mit seinen Eltern nach Deutschland. Sie flohen vor den Drohungen des syrischen Geheimdienstes gegen seinen Vater, der in der KP und im Komitee für Menschenrechte organisiert war. Aram war damals elf Jahre alt und konnte kein Deutsch.
Zehn Jahre später ist er ein eloquenter junger Mann, der akzentfrei spricht. Er hat in Hannover Abitur gemacht und will Jura studieren, Schwerpunkt Arbeitsrecht. Derzeit macht er ein freiwilliges soziales Jahr im Stadtteilzentrum "Krokus" in Hannover. Seine Betreuerin urteilt, dass er "durch sein Engagement Vorbildfunktion für Jugendliche und Kinder mit Migrationshintergrund" übernimmt. Am Gymnasium war er Schulsprecher, die Schulleitung bescheinigt ihm "Kompetenz, Zielstrebigkeit und politisches Engagement".
Doch genau deshalb bekommt Aram A. keinen deutschen Pass - wenn es nach dem Verfassungsschutz in Niedersachsen und dem "Fachbereich Recht und Ordnung" der Stadt Hannover geht. Denn Aram A. ist Mitglied der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ). Und die ist laut Bescheid der Stadt Hannover vom 16. November 2009 eine "linksextremistische" Organisation. Die SDAJ hat bundesweit ungefähr 400 Mitglieder und führt ein Schattendasein. Sie ist DKP-nah, organisatorisch allerdings eigenständig. Und sie ist, wie die DKP, nicht verboten. In Hannover ist die SDAJ als gemeinnütziger Verein anerkannt. Doch laut niedersächsischem Verfassungsschutz ist sie eine eminente "Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung."
Die Verfassungsschützer haben außerdem herausgefunden, dass Aram A. ein "Bündnis gegen rechts" in Hannover-Misburg unterstützt habe. Und er hat gegen das Verbot der kommunistischen Jugendorganistion KSM in Tschechien protestiert. Wegen dieser Aktivitäten, so die Stadt Hannover, "kann kein Interesse daran bestehen, mit Herrn A. eine Person einzubürgern, die Mitglied einer Organisation ist, die sich die Überwindung der bestehenden Ordnung zum Ziel gesetzt hat". Antrag abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens soll Aram A. bezahlen. Der Sachbearbeiter der Stadt Hannover weist dezent darauf hin, dass "die Gebühr für eine Rücknahme des Einbürgerungsantrages geringer ist als die Gebühr für eine Ablehnung".
Der Fall ähnelt dem der Ex-Juso-Chefin Jannine Menger-Hamilton, deren Einbürgerung Niedersachsens Verfassungsschutz verhindern will, weil sie in der Linkspartei ist. Offenbar geht es nicht um Einzelfälle, sondern um eine Politik des Innenministeriums unter CDU-Hardliner Uwe Schünemann gegen politisch engagierte Migranten.
Aram A. ist als 14-Jähriger zur SDAJ gekommen, über eine Demo gegen den Irakkrieg. "Das hat mich politisiert", sagt er. Er hat auf den Bescheid der SPD-regierten Stadt Hannover geantwortet: Es sei für ihn "selbstverständlich, gegen rechte Gewalt" und Rassismus zu protestieren, gerade weil er in Syrien Polizeigewalt gegen Minderheiten erlebt habe. Und gegen das KSM-Verbot habe auch U2-Sänger Bono unterschrieben. Inzwischen hat ein tschechisches Gericht das Verbot für rechtswidrig erklärt. "Ich habe", so Aram A. in seiner Antwort, "in meinem ganzen Leben nichts verfassungs- oder gesetzwidriges getan. Das belegt mein polizeiliches Führungszeugnis."
Seine Einbürgerung beantragte Aram A. vor zwei Jahren. Er hat bisher keine Antwort auf seinen Brief vom November 2009 erhalten.
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