Weise Worte an die Wähler: Kein Löwe für Bremen
■ Die Wahlkampflyrik der Bremer SPD
„Im Club der „Dicken“ braucht das Bundesland Bremen nicht um Aufnahme nachzusuchen, mit Umfang und Größe macht es nicht viel her.“ Aber: „Auf begrenztem Raum lassen sich Schätze finden.“ Woher diese Weisheit stammt? Aus einem Prospekt der SPD-Fraktion, das die Selbständigkeit Bremens zum Thema hat. Anläßlich der Bundestagswahl drücken die adretten Damen in den Parteibüros potentiellen Wählern neben dem Wahlprogramm jede Menge Infomaterial in die Hand. „In Ihrer Nähe“ zum Beispiel, ein Prospekt, mit dem sich die SPD-Bürgerschaftsfraktion vorstellt. Ein Foto zeigt Christian Weber radelnder Weise auf einer vielbefahrenen Straße. Dann steigt Weber um auf die Bahn. „Ich fahre mit der Linie 4, weil sie ein zukunftsweisendes Verkehrsprojekt mit guter Tradition ist“, wirbt der Fraktionschef für den öffentlichen Nahverkehr. Merkwürdig. Weber wohnt in Hastedt. Die Linie 4 hält gar nicht vor seiner Tür. Außerdem fährt der SPD-Chef einen fetten BMW als Dienstwagen.
Doch zurück zur Selbständigkeit. „Mit einer Linzer Torte ließen sich die BremerInnen ... den 350. Geburtstag Bremens förmlich auf der Zunge zergehen“, heißt es in „Argumente für die Selbständigkeit“. „Das kleine Bundesland Bremen – ein Sahnestück? Jawohl, ein Sahnestück, auch wenn Stadtrepubliken angeblich – so wie die Serenissima Venedig – auf sicherem Grunde gebaut sind und der Zahn der modernen Zeit an ihren Grundfesten nagt. Für Venedig wird der Löwe den Erhalt der historisch gewachsenen und in ihrer Art einmaligen Stadt Venedig erstreiten“. Die BremerInnen müßten sich dagegen selbst behaupten. Aufgrund des „tiefgreifenden Wandels“ bräuchte Bremen „ein stützendes Geländer zur eigenen Orientierung“. „So ein Geländer sind überschaubare Bezugsgrößen aus regionalen Traditionen und Geschichten aus bekannten Strukturen und gewachsenen Lebensstilen.“ Warum das so wichtig ist? „Wenn sich Menschen in dieser kleinen Einheit mit ihren sozialen Bezügen, mit ihren kulturellen Interessen, mit ihren Arbeitsmöglichkeiten und mit ihren Eigenheiten geborgen fühlen, haben sie die Möglichkeit, sich angstfrei für neue Einflüsse, neue Entwicklungen und neue Herausforderungen zu öffnen.“ Denn: „Wenn sich Menschen in dieser kleinen Einheit mit ihren sozialen Bezügen, mit ihren kulturellen Interessen, mit ihren Arbeitsmöglichkeiten und mit ihren Eigenheiten geborgen und zu Hause fühlen, haben sie die Möglichkeit, sich angstfrei für neue Einflüsse, neue Entwicklungen und neue Herausforderungen zu öffnen.“ Übrigens: Die redaktionelle Verantwortung hatte Irmela Körner. Im Nebenjob schreibt sie als Feuilletonistin bei dem Gesellschaftsmagazin „Briliant“ – aber das nur ganz am Rande. kes
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