■ Weinprobe: Vom Abgesang zum Hohelied
Die Publikumsbeschimpfung dauert schon geraume Zeit an. Gewichtige Weinautoren lassen kaum eine Gelegenheit aus, den schlechten Geschmack der weinseligen Öffentlichkeit vorzuführen. Kostprobe des geschätzten Kollegen Stuart Pigott: „Es scheint, daß Pinot Grigio das ideale Getränk all jener ist, die die Aufgabe eines Weines darin sehen, viel herzumachen, wenig zu kosten und nach nichts zu schmecken.“ Nach dem Abgesang auf den Massengeschmack folgt meist das Hohelied des deutschen Rieslings. Es soll hier fortgesetzt werden.
Clemens Busch ist einer der Winzer, anhand derer sich der schwere Stand deutscher Winzer, die im allgemeinen bedingungslos auf Qualität setzen und im besonderen ökologisch arbeiten, beispielhaft zeigen läßt. An der Mittelmosel besitzt Busch in der Lage Pündericher Marienburg steil nach Süden und Südwesten geneigte Hänge. Die Sonne kann hier fast senkrecht auf die Reben strahlen. Das Ergebnis: Rieslingweine, die in den letzten Jahren Aufsehen erregt haben, in der Fachwelt noch mehr als beim Publikum. Allen Busch-Weinen gemein ist das ausgeprägte Säuregerüst, aber um dieses Gerüst herum findet man stets viel Frucht und Aroma. Der 1996er Jahrgang der trockenen Spätlese von der Pündericher Marienburg mit der Zusatzbezeichnung „Felsterrasse Selektion“ kam kürzlich im Wettbewerb um den deutschen Rieslingpreis auf den zweiten Platz. Als der Ökowein-Verband Ecovin im letzten Herbst Ökoweine von der Mosel verkosten ließ, belegten Weine von Clemens Busch nicht nur den ersten, sondern gleich auch noch den zweiten Platz (damit keine Mißverständnisse entstehen: Busch ist nicht der einzige Ökowinzer an der Mosel).
Das ist die eine – erfreuliche – Seite. Weniger angenehm ist, daß diejenigen, die nicht die Fachpresse, sondern das Etikett auf der Flasche lesen, nichts über ihren erstaunlichen Inhalt erfahren. Spitzenlage Klasse 1, Steillage oder ähnliches darf nicht auf dem Etikett stehen; und Pündericher Marienburg ist eine nichtssagende Großlagenbezeichnung. Diese Lage zieht sich sowohl links- als auch rechtsseitig der Mosel hin, umfaßt Flach- ebenso wie Steillagen und völlig unterschiedliche Böden – alles Faktoren, die Charakter und Qualität des Weines entscheidend prägen. Das deutsche Weingesetz mit seinen Etikettenvorschriften zwingt die Winzer jedoch, genauere Auskünfte zu verschweigen.
Ein weiteres Problem ist der Preis, den für derart arbeitsintensiv produzierten Wein zu zahlen unumgänglich ist. „Da kommt man nicht in den Biohandel rein“, sagt Clemens Busch. Bleiben ausgewählte kompetente Fachhändler. Die stehen vor dem erzieherischen Problem: Wie bringe ich dem Publikum bei, daß es auch mal einen Riesling von der Mosel probieren darf? Eberhard Schäfer
Die Weine von Clemens Busch gibt es ab ca. 10 Mark bei Autos und Weine, Willmanndamm 18, Berlin-Schöneberg, Telefon 788 12 00
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