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Weinanbau in ChinaDie Zeiten von Limo sind vorbei

Chinas Winzer haben zur internationalen Konkurrenz aufgeschlossen. Ein Besuch in der Provinz, wo die edelsten Tropfen der Volksrepublik gedeihen.

International hat sich herumgesprochen, dass in der Provinz Ningxia gute Weine gedeihen Foto: Zhao Yuguo/Xinhua/picture alliance

Ningxia taz | Der Weg zur „Helan Winery“ führt über eine staubige, von riesigen Pappeln gesäumte Einfahrt, an deren Ende Shao Qingsong mit breitem Siegerlächeln wartet. Der 46-Jährige würde mit seinem geleckten Seitenscheitel und dem dunklem Sakko hervorragend in die Chefetage eines Pekinger Großkonzerns passen. Stattdessen jedoch hat der Chinese sein Leben der Weinzucht gewidmet. Vor neun Jahren steckte Shao all sein Erspartes in ein Stück Land.

„Damals war noch alles Wüste, kein einziger Baum wuchs hier“, sagt der Winzer, während er durch die frisch geernteten Weinreben führt. Die trockene Steppenlandschaft wirkt auf den ersten Blick ganz und gar untypisch für die Aufzucht von Merlot und Cabernet Sauvignon, aber der Eindruck täuscht. „Die Bodenbedingungen sind wirklich gut hier: Das Land ist reich an Mineralien, und aufgrund des wenigen Regens braucht man wenig Pestizide“, sagt Shao.

Shao Qingsong, Winzer in der westchinesische Provinz Ningxia Foto: Fabian Kretschmer

Auch international hat sich längst herumgesprochen, dass in der westchinesische Provinz Ningxia die edelsten Weine der Volksrepublik gedeihen. Mit langen Sonnenstunden sowie starken Temperaturunterschieden zwischen Tag und Nacht sind die klimatischen Bedingungen überaus günstig. Dabei schienen sich Weinkultur und China noch vor wenigen Jahren geradezu auszuschließen.

Für die neureichen Eliten Pekings war der alkoholhaltige Traubensaft vor allem ein prestigeträchtiges Statussymbol. Nicht selten landeten im Rotweinglas zum teuren Bordeaux Eiswürfel oder Limonade zum Verdünnen. Und die heimischen Weine Chinas galt es generell zu vermeiden: überzuckert, säuerlich und nur aufgrund des Flaschenetiketts als Wein zu erkennen.

Doch jene Zeiten sind vorbei: Mittlerweile ist die Volksrepublik zum weltweit größten Markt für Rotwein avanciert. Nirgendwo sonst wachsen die Anbauflächen der Winzereien stärker als im Reich der Mitte. Und dass die prestigeträchtige Fachzeitschrift „Revue du Vin de France“ unlängst eine chinesischsprachige Ausgabe lanciert hat, spricht ebenfalls Bände.

Wir wollen eine eigene Weinkultur mit chinesischer Charakteristik aufbauen.

Zhou Lingqiang

Die Entwicklung ist umso beachtlicher, als dass Chinas erste Generation an Privatwinzern erst Anfang der achtziger Jahre debütierte und damit an eine Tradition anknüpft, die über Jahrhunderte in Vergessenheit geraten war. Denn bei archäologischen Ausgrabungen in der Ostküsten-Provinz Shandong fanden Forscher Keramikgefäße mit Weinbeständen, die mehr als 4.000 Jahre alt sein sollen.

Bei der jetzigen Wiederbelebung der Weintradition haben sich die Chinesen stark an Europa orientiert, vor allem an Frankreich – sowohl bei den Traubensorten als auch bei der Lagerung in Eichenfässern. „Wir haben in China einen riesigen Konsumentenmarkt, besonders im gehobenen Segment verkaufen sich die Weine gut“, sagt Professor Zhou Lingqiang von der Zhejiang-Universität.

Vielen Chinesen geht es bei Rotwein um den Status, weshalb lieber zu teureren Produkten gegriffen wird – auch, wenn die Qualität vielen Käufern schlussendlich schleierhaft bleibt. Doch die Weinkultur befindet sich noch in den Kinderschuhen, sagt Experte Zhou: „Unser Ziel ist es, eine eigene Weinkultur mit chinesischer Charakteristik aufzubauen“.

Aus diesem Grund hat die Provinzregierung an den Ausläufern von Ningxias Hauptstadt Yinchuan zur alljährlichen Wein-Expo gelasen. In einem Messezentrum, dessen Architektur an aneinandergereihte Eichenfässer erinnert, haben sich an diesem sonnigen Novembermorgen hunderte Branchenkenner eingefunden. Die lokalen Parteikader halten abgelesene Reden, der Botschafter Frankreichs meldet sich von Peking aus per Videobotschaft lobend zu Wort. Ausländer sind im Publikum während des Corona-Jahrs jedoch keine zu entdecken.

Etikettenschwindel und Pansch-Skandale

Heimische Weine haben immer noch um das Vertrauen der Konsumenten zu kämpfen, schließlich gab es in der Vergangenheit immer wieder Etikettenschwindel und Pansch-Skandale. „Verglichen mit Baijiu, dem traditionellen Schnaps, betragen die Umsätze von Wein lediglich ein Vierzigstel“, sagt der Kanadier Jim Boyce, der seit Jahren auf seinem Blog „Grape Wall of China“ über die chinesische Weinbranche berichtet. In einem Land mit 1,4 Milliarden Menschen ist auch jenes Vierzigstel an Umsatz eine beachtliche Menge.

Christelle Chen arbeitet seit zwei Jahren in der Marketing-Abteilung des Weinguts „Xige“ Foto: Fabian Kretschmer

Dass sich die Zahlen noch einmal deutlich steigern können, daran arbeitet auch Christelle Chen. Die zierliche Französin arbeitet seit zwei Jahren in der Marketing-Abteilung für das in Ningxia ansässige Weingut „Xige“, das nach nur drei Erntesaisons mittlerweile bereits zu den führenden Winzereien des Landes zählt. Über zwei Millionen Flaschen produzieren sie, 300 Angestellte arbeiten für „Xige“. Ob die Goldgräberstimmung des chinesischen Marktes einmalig ist? „Im Gegenteil“, sagt Chen: „Er folgt im Grunde den gleichen Mustern wie zuvor auch dem japanischen oder Hongkonger Markt. Nur passiert in China alles viel schneller“.

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