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■ Weil der Staat spart, spielt "Sozialsponsoring" eine immer wichtigere Rolle. Altenheime lassen sich von Bestattungsunternehmen unterstützen, soziale Projekte werben in der Privatwirtschaft um SponsorenDie Kunst des edlen Bettelns

Weil der Staat spart, spielt „Sozialsponsoring“ eine immer wichtigere Rolle. Altenheime lassen sich von Bestattungsunternehmen unterstützen, soziale Projekte werben in der Privatwirtschaft um Sponsoren

Die Kunst des edlen Bettelns

Auf die richtige Zielgruppe kommt es an. „Wir unterstützen Projekte der Deutschen Aids- Hilfe, den Hospizverein AGSL und Pflegeheime“, sagt freimütig Rolf-Peter Lange, Leiter beim Bestattungsunternehmen Grieneisen Berlin. Eine „fünfstellige Summe“ gehe jährlich von den Bestattern an solche und andere soziale Projekte, diskrete Hinweise auf den Spender sind durchaus erbeten. Seitdem der Berliner Senat die öffentlichen Zuschüsse kürzt, „bekommen wir immer mehr Bittbriefe“, berichtet Lange.

Das öffentliche Geld wird knapp, deshalb rangeln soziale Projekte zunehmend heftiger um private Förderer. „Fundraising“ heißt die Kunst des Edelbettelns, die jetzt auch in Deutschland in Seminaren zu „Social sponsoring“ und „Erbschaftsmarketing“ gelehrt wird. „Fundraising erfordert umfangreiches Finanzquellenwissen“, meint die Wiesbadener Sponsoring-Beraterin Marita Haibach. Zum Geheimwissen der Edelbettler gehört dabei das Beschaffen von Spenden ebenso wie das Werben um Social sponsoring in der Industrie und das Anzapfen von Stiftungen.

Social sponsoring ist der jüngste und finanziell schwächste Zweig beim Fundraising. Die Summen, die Unternehmen alljährlich dafür lockermachen, sind zwar erheblich gestiegen. Dennoch werden für Social sponsoring jährlich nur zweihundert Millionen Mark ausgegeben. Das ist wenig gegenüber der mehr als einer Milliarde Mark, die Stiftungen für soziale Zwecke ausschütten. Und sehr wenig im Vergleich zu den geschätzten vier bis acht Milliarden Mark, die alljährlich von gemeinnützigen Organisationen an Spenden eingesammelt werden.

„Social sponsoring ist ein Geschäft mit Gegenleistung“, betont Klaus-Jürgen Schneider, Sponsoring-Experte beim Computerkonzern IBM. Die Förderer aus der Wirtschaft geben Geld und dürfen mit ihrem Logo und ihrer Wohltat offensiv in Broschüren und auf einschlägigen Veranstaltungen werben. Am liebsten in Sport und Kultur. Deshalb lassen Konzerne für Sport- und Kultursponsoring mehr als zehnmal soviel springen wie für Sozialsponsoring. Kranke und Behinderte sind eben nur attraktiv, wenn sie einigermaßen zu Produkt und Image passen. IBM beispielsweise fördert Forschungsprojekte zum Thema „Computer und Behinderte“. Das junge Berliner EDV-Unternehmen PSI sponsert die Aids-Hilfe. Daimler-Benz unterstützte in Mannheim einen Fahrradverleih, der Langzeitarbeitslose beschäftigte.

Auf jede Sponsor-Zusage kommen Hunderte von Ablehnungen an soziale Projekte. „Ich schicke jährlich dreitausend Absagen raus“, seufzt Schneider von IBM. Die Hoffnung, daß sich beim Firmensponsoring – wie in den USA – ein größerer Markt auftun könnte, trügt. „Die Einnahmen aus dem Sponsoring werden nicht so steigen wie erwartet“, glaubt Christoph Müllerleile, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Sozialmarketing (BSM) im hessischen Oberursel, einem Zusammenschluß von mehr als zweihundert FundraiserInnen. In wirtschaftlich schlechten Zeiten halten auch die Unternehmen ihr Geld zusammen. Müllerleile setzt daher eher auf die wachsende Bedeutung „privater Großspenden und Erbschaften“.

In den nächsten zehn Jahren werden Vermögen in Höhe von bis zu 2.600 Milliarden Mark vererbt. Etwa vier Milliarden davon fallen an den Staat, weil es keine sonstigen Erben gibt, schätzt Marita Haibach. Da gilt es, Vermögende rechtzeitig zu umwerben, läßt sich doch durch Spenden das Selbstwertgefühl des Wohltäters erhöhen und mit einer Stiftung gar Unsterblichkeit erlangen.

Eine neuartige Gemeinschaftsstiftung der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Essen etwa bietet Förderern die Möglichkeit, eine Art eigene Unterstiftung ins Leben zu rufen, deren Zweck vorher festgelegt wird und die für immer den Namen des Förderers trägt. „Der Stifter kann eine Jugendeinrichtung oder ein Altenheim unterstützen“, erklärt Heinz Buchholz von der AWO. Immerhin zehn Stifter mit Beträgen zwischen ein paar hunderttausend und zwei Millionen Mark sind in wenigen Monaten schon zusammengekommen.

Viele gemeinnützige Organisationen betreiben direkt „Erbschafts-Marketing“. Die Methode ist überall gleich, ob bei der AWO, den Sterbebegleitungs-Vereinen, Greenpeace oder beim World Wide Fund for Nature (WWF): Die Organisationen versenden an Mitglieder und Interessenten Ratgeber-Broschüren zur Testamentserstellung und nennen auf Anfrage auch Notare vor Ort. Durch computergesteuerte „Vornamensanalysen“ lassen sich aus der Kartei ältere Mitglieder herausfiltern.

In den Broschüren werben die Organisationen dann darum, doch selbst auch bedacht zu werden. Greenpeace verspricht überdies: „Auch wenn Sie Ihr Haustier gut versorgt wissen wollen, können Sie den Erben bindend dazu verpflichten.“ Greenpeace habe bereits mehrfach Erbschaften mit solch genaueren Bestimmungen erhalten und sie „verantwortungsvoll erfüllt“. Die Einkünfte durch Erbschaftszuwendungen machten jährlich aber nur knapp ein Prozent des Spendenvolumens aus, erläutert Melanie Stöhr, Erbschafts- Fundraiserin bei Greenpeace.

Der WWF in Frankfurt mit mehr älteren Mitgliedern kassiert hingegen pro Jahr immerhin 2,4 Millionen Mark aus Erbschaften, das sind 8,4 Prozent des Spendenvolumens. Der WWF schickt an seine Mitglieder die Broschüre „Testament für die Natur“, zu der ein Coupon gehört, der unterschrieben zurückgeschickt werden kann. Er enthält das – rechtlich nicht bindende – Versprechen: „Ja, ich verspreche, den WWF in meinem Testament zu bedenken.“ Barbara Dribbusch

und Julia Naumann

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