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Weil das Leben so ist

Zwischen letzten Schulferien, ersten Drogenerfahrungen und Fummeln in der Schwebebahn. Benjamin Quabecks Regiedebüt „Nichts bereuen“ lässt sich mit seinem 19-jährigen Helden treiben

von THOMAS WINKLER

Es ist die ewig alte Geschichte vom Erwachsenwerden, von den prägenden ersten Erfahrungen, die es zu machen gilt, vom Leben, das es zu leben gilt. Es ist die Geschichte von Sex and Drugs and Rock ’n’ Roll. „Nichts bereuen“ aber spielt im Hier und im Heute und in Wuppertal. So heißt es also eher: Kuscheln und Tequila und Diskurspop.

Daniel ist 19 Jahre jung, das Abitur ist gebaut und der Urlaub zu Ende. Daniel ist zurück im Westfälischen und glaubt etwas zu verpassen, weil nicht das Leben auf ihn wartet, sondern nur der Zivildienst. „Warum kann man sich nicht aussuchen, wen man liebt?“, fragt er. In jugendlicher Romantik hat er sich die Schulfreundin Luca vor Jahren zur großen Liebe erkoren, und da die Liebe unerfüllt geblieben ist, wuchs sie immer weiter und wuchs und wurde zur Last auf der eh schon von postpubertärer Melancholie durchgeschüttelten Seele. „Man kann sich nicht aussuchen, wen man liebt“, sagt Anna, „weil das langweilig wäre.“ Anna ist die Leiterin der Altenpflegestation, in der Daniel seinen Zivi-Dienst schiebt. Anna liebt Daniel, und vielleicht liebt Daniel auch Anna. Wer weiß das schon, Daniel jedenfalls bestimmt nicht. So folgt die Handkamera schwankend ihrem Helden, wie er sich treiben lässt durch eine mittelgroße Stadt, wie es viele mittelgroße Städte gibt in Deutschland, und es entwickelt sich in groben, jederzeit stilsicheren Bildern eine mittelgroße Entwicklungsgeschichte zwischen letzten Schulfeiern und ersten Drogenerfahrungen, Kloppen mit dem großen Bruder und Fummeln in der Schwebebahn, schlimmsten Peinsamkeiten und jenen wundervollen Momenten, die man noch ein Erwachsenendasein später tief im Herzen tragen wird.

„Nichts bereuen“ ist die Diplomarbeit des Ludwigsburger Regiestudenten Benjamin Quabeck. Das Drehbuch beruht auf seinem eigenen Roman. Er selbst ist Mitte zwanzig, und der Großteil der Crew bastelt noch am Abschluss. Die Musik hat die halb bekannte Dortmunder HipHop-Crew Lee Buddah fabriziert, und auch die Gesichter sind noch unverbraucht, auch wenn man Luca als Viva-Moderatorin kennt und andere aus früheren Adoleszenz-Streifen wie „Schule“. Allen voran Quabecks Hauptdarsteller Daniel Brühl, der im Januar mit „Das weiße Rauschen“ ins Kino kommt, wo er eine nicht ganz unähnliche Figur entwirft, deren Versuch, erwachsen zu werden, ungleich tragischer verläuft.

So wundert es nicht, dass „Nichts bereuen“ in lakonischen Dialogen und oft einfach stummen, aussagekräftigen Einstellungen ein witziges und auch trauriges und vor allem exaktes Bild von Jugend in Deutschland zeichnet. Exakter jedenfalls, als es die aktuelle Jugendlichkeitswelle im deutschen Kino vermag, die Quabeck mit vorsichtigen Anspielungen leicht ironisch kommentiert. In Filmen wie „Crazy“ warfen die Filmemacher einen melancholischen Blick zurück, der allzu schnell modische Patina ansetzte.

„Nichts bereuen“ fragt erst gar nicht nach den Gründen für all die Verwirrung, die vorgeht in einem Neunzehnjährigen. Das Leben ist halt so, weil das Leben so ist. Nachdenken ist später, nachdenken ist bereuen. Und ist man erst mal alt genug, dann kann man sich sicher auch aussuchen, in wen man sich verliebt.

„Nichts bereuen“. Regie: Benjamin Quabeck. Mit Daniel Brühl, Jessica Schwarz, Marie-Lou Sellem u. a., Deutschland 2001, 93 Min.

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