■ Daumenkino: Weihnachten
Lippenstifte und Patronenhülsen ähneln sich in Design wie Funktion. Diese Wechselbeziehung hat Samantha (Geena Davis) nur vergessen – reaktivierbares Wissen, das auf seine Stunde wartet. Die kommt zu Weihnachten, als Samantha einen Autounfall hat und dann seltsame Träume: Sie verwandelt sich in eine schöne böse Frau. Samantha hieß früher Charlene Baltimore und stand als killende Kampfmaschine im Dienste des Vaterlandes. Plötzlich entdeckt sie die entsprechenden Fertigkeiten an sich wieder. Akrobatisch läßt sie das Messer affenschnell auf dem Gemüse tanzen, hechtet im Dreifach-Rückwärtssalto durch die Wohnküche und bricht bösen Buben das Genick.
Tödliche Weihnachten ist keine dröge Jekyll/Hyde-Geschichte oder „Lethal Weapon“-Abklatsch. Da sei eine geradezu göttliche Idee vor: Regisseur Renny Harlin spannt Geena Davis mit Samuel L. Jackson („Pulp Fiction“, „Die Jury“) zusammen. Mitch singt alle auszuführenden Aufgaben vor sich hin („Auto-schlühüssel abzie-hen ...“). Geena Davis als Charlie-Sam ist keine niedliche, umnachtete Maus, die nicht weiß, was sie tut, sondern eine unsentimentale und sehr athletische Frau. Keine Träne näßt ihr Unterhemd, wenn sie mit Riesensätzen durch den Schnee hüpft, um ihre Tochter aus den Klauen des Bösen zu retten. Nie beutet der Regisseur Charlenes Mutterschaft aus, um auf die Tränendrüse zu drücken, nie nervt ein altkluges Kind den Zuschauer.
Nach dem Flop ihrer „Piratenbraut“ hatten Renny Harlin und Geena Davis nichts nötiger als einen Erfolg, und er gelang ihnen fast mühelos. Als Zuschauer zuckt man etliche Male zusammen, etwa wenn Eiswürfel ins Whiskyglas springen. Vergeßt Jean-Claude und Sylvester, und selbst du, Bruce, solltest von Geena siegen lernen! Anke Westphal
„Tödliche Weihnachten“. USA 1996
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