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Weiches Gewebe

Der Dokumentarfilm „Automat Kalashnikov“ porträtiert die erfolgreichste Waffe der Welt und ihren Konstrukteur

Eigentlich müsste er ein reicher Mann sein. Der russische Mechaniker Michael Timofewitsch Kalaschnikow entwickelte während des Zweiten Weltkrieges ein Sturmgewehr, von dem heute etwa 70 Millionen Exemplare auf den Schlachtfeldern der Welt im Einsatz sind: Der „Automat Kalashnikov“, der nach seiner Übernahme in die Serienproduktion im Jahr 1947 die legendäre Typenbezeichnung „AK-47“ erhielt, ist eines der erfolgreichsten Industrieprodukte des 20. Jahrhunderts.

Zum Patent wurde die Waffe allerdings nie angemeldet. Der inzwischen 80-jährige Oberst a. D. Michael Timofewitsch Kalaschnikow, Gewinner des Stalin- und des Lenin-Preises und Träger des „Ordens für besondere Dienste am Vaterland“, muss mit einer bescheidenen Rente von umgerechnet 70 Mark auskommen.

Die Filmemacher Axel Engstfeld und Herbert Habersack haben Michael Kalaschnikow für ihren Dokumentarfilm „Automat Kalashnikov“ in seiner kleinen Wohnung in Ischwesk im Ural besucht, dem ehemals vor aller Welt verborgenen Rüstungszentrum der Sowjetunion. Die Hände des Konstrukteurs zittern, als er sich eine Tasse Tee einschenkt, doch später erläutert er mit ruhigen Bewegungen und klarer Stimme die Vorteile seiner Erfindung, einer Waffe nach dem Baukastenprinzip: Die AK-47 sei robust, leicht in ihre Einzelteile zu zerlegen, und kann mit wenigen Handgriffen in ein stationäres Maschinengewehr verwandelt werden. Klick, macht der Abzug. „Jetzt habe ich geschossen“, sagt Kalaschnikow und lächelt.

Der alte Mann mit der Lesebrille ist nett. Doch der Film “Automat Kalashnikov“ ist nicht allein das Porträt eines in die Jahre gekommenen russischen Erfinders, er ist auch das Porträt einer Waffe. Das Gewehr mit dem kurzen Lauf und dem gebogenen Magazin ergänzt die Siegerposen südamerikanischer Guerilleros, seine Silhouette zierte bekanntlich den Briefkopf der RAF, und die CNN-Bilder von 14-jährigen schwer bewaffneten Soldaten in Somalia sind erst wenige Jahre alt – die AK-47 ist hat das Bildprogramm der Gewalt im zwanzigsten Jahrhundert entscheidend geprägt.

Die Gründe für diese ikonographische Durchschlagskraft des Gewehres liegen sicher auch im ideologischen Wechselspiel. Nach ihrer Erfindung im „Großen Vaterländischen Krieg“ hatte die Kalaschnikow ihren ersten Einsatz während des Vietnamkriegs im Kampf gegen die US-Marines, im Afghanistankonflikt wurde sie den Händen der Taliban zur tödlichen Gefahr für die sowjetischen Truppen.

Es gibt allerdings auch „rein technische Gründe“ für die Erfolgsgeschichte der Waffe. Aufgrund des kleinen Kalibers und der Festigkeit des Projektils sei die AK-47 das „ideale Gewehr, um Menschen zu verwunden“, erklärt ein US-amerikanischer Waffenexperte. „Sehen Sie, das Projektil ist unversehrt“, sagt ein anderer Ingenieur und zeigt auf einen der Blöcke aus Gelatine, in denen der Weg von Geschossen durch „weiches Gewebe“ erprobt wird: Die Faszination, die sich bei der Entwicklung, Herstellung und Erforschung von Schusswaffen einstellt, liegt in der technischen Kontrollierbarkeit des Todes begründet.

Eine nachdenkliche Stimme haben die beiden Filmemacher allerdings bei ihren Recherchen auch einfangen können. „Es ist nicht so leicht einen Menschen zu töten, wie es auf den ersten Blick aussieht“, erklärt ein Scharfschütze aus einem Sonderkommando der russischen Armee. Über der Schulter trägt er eine leichte Ausführung der AK-47. KOLJA MENSING

„Automat Kalashnikov“. R: Axel Engstfeld und Herbert Habersack. Deutschland 2000. 96 Min. Bis Donnerstag in der Brotfabrik, Prenzlauer Promenade 3, 21 Uhr und im Eiszeit-Kino, Zeughofstraße 20, 21.30 Uhr

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