Weibliche Führungspositionen: Frauen sollen Krise lösen
Männer haben die Weltwirtschaft ruiniert, weibliche Bodenhaftung soll es jetzt richten: Darin sehen ForscherInnen eine Chance für mehr Frauen in Topjobs. Ihre Quote ist zuletzt kaum gestiegen.
Der Frauenanteil in Aufsichtsräten von Banken und Sparkassen ist im vergangenen Jahr gestiegen. Das jedenfalls sagte Elke Holst, Expertin für Gender Economics am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), am Mittwoch bei der Vorstellung ihres "Führungskräfte-Monitors" in Berlin. Eine Zahl nannte sie nicht. "Aber wir suchen ja nach positiven Nachrichten."
Optimismus verbreitete auch Institutssprecher Carel Mohn. "Wir haben nun eine Zeit des Nachdenkens", sagte er. Die Finanzkrise könnte eine Chance für Frauen sein. Nun würden nachhaltige Konzepte gebraucht, die die Lebenswirklichkeit einbezögen. Einen Beleg, dass es tatsächlich eine Bewegung in diese Richtung gibt, konnte er nicht anführen.
Expertin Holst verwies aber auf die Gleichstellungspläne, mit denen die SPD in den Wahlkampf ziehen will. Parteichef Franz Müntefering hatte erklärt, die Partei wolle sich um mehr Frauen in den Aufsichtsräten kümmern, um gleichen Lohn für gleiche Arbeit und eine bessere Bezahlung in Frauenberufen.
Dass das bitter nötig ist, zeigt die DIW-Studie. Im Auftrag des Bundesfrauenministeriums haben die WissenschaftlerInnen untersucht, was die freiwillige Vereinbarung der privaten Wirtschaft von 2001 gebracht hat. Damals hatten die großen Wirtschaftsverbände ein drohendes Gleichstellungsgesetz abgewendet mit der Selbstverpflichtung, künftig Frauen in den Unternehmen zu fördern. Getan hat sich nichts. Dem Monitor zufolge ist der Anteil von Frauen in Leitungspositionen zwischen 2001 und 2006 zwar gestiegen, und zwar von 26 auf 31 Prozent. Im Jahr 2007 sank er jedoch wieder auf 27 Prozent. Die Veränderungen bewegen sich also nur innerhalb des üblichen Schwankungsbereichs. "Eine Trendwende gibt es nicht", sagte Holst.
Am deutlichsten ist die Kluft zwischen den Geschlechtern weiterhin in den Topetagen. 98 Prozent der Vorstandsposten in den 200 größten deutschen Unternehmen wurden 2007 von Männern besetzt. Dass es immerhin 10 Prozent Frauen in die Aufsichtsräte der gleichen Firmen schafften, ist vor allem den Betriebsräten und Gewerkschaften zu verdanken, die die Arbeitnehmerbank im Kontrollgremium besetzen.
Diese ungleiche Verteilung macht sich auch bei den Sondervergütungen bemerkbar. 47 Prozent der Frauen waren 2007 weder an Boni noch an geldwerten Zuwendungen beteiligt. Bei den Männern gingen nur 36 Prozent leer aus.
Holst selbst zeigte sich enttäuscht. "Ich weiß auch nicht, warum sich nichts tut. Nach unserer Ansicht liegt es im Interesse der Unternehmen, Frauen frühzeitig zu fördern", sagte sie mit Verweis auf den Fachkräftemangel. Die DIW-ExpertInnen forderten Verbände und Unternehmen auf, einen verbindlichen Fahrplan mit festen Zielgrößen vorzulegen. Zudem müsse transparenter werden, wer wie entlohnt und welcher Posten warum mit wem besetzt wird.
Politisch unterstütze sie "alles, was helfen kann", sagte Holst - vom Ausbau der Kinderbetreuung wie in Frankreich bis zu Vorgaben für die Aufsichtsräte wie in Norwegen. "Immerhin kann nach dieser umfangreichen Untersuchung niemand mehr sagen, er habe nicht gewusst, wie schlimm es ist."
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