piwik no script img

Wehrpflicht in MarokkoFrauen und Männer sollen dienen

Marokko will die Wehrpflicht wieder einführen. Dabei wurde sie erst vor wenigen Jahren abgeschafft. Doch es geht um mehr als nur das Militär.

Noch sehr männlich dominiert: Marokkos Armee, hier auf einem Foto vom Mai 2006 Foto: ap

Berlin taz | Junge Erwachsene in Marokko könnten bald wieder verpflichtet sein, Militärdienst zu leisten. Am Montag billigte der Ministerrat des Landes unter dem Vorsitz von König Muhammad VI. einen entsprechenden Gesetzentwurf, wie aus einer Mitteilung der Regierung hervorgeht.

„Weibliche und männliche Staatsbürger im Alter von 19 bis 25 Jahre sind verpflichtet, für zwölf Monate Wehrdienst zu leisten“, heißt es in der Mitteilung. Das Gesetz, dessen genauer Text bislang unbekannt ist, tritt in Kraft, sobald es im Amtsblatt veröffentlicht ist. Medienberichten zufolge muss es zuvor an das Parlament gehen.

Der Vorstoß kommt überraschend, da der König den Pflichtdienst per Dekret erst 2006 abgeschafft hatte. Das Land hatte die 18-monatige Wehrpflicht 1966 eingeführt und sie 1999 auf zwölf Monate reduziert.

Den neuen Planungen zufolge sollen junge Erwachsene, die sich in der Ausbildung befinden oder krank sind, von der Wehrpflicht befreit werden. Auch soll pro Familie nur ein Mann eingezogen werden. Verheiratete Frauen sollen ebenfalls keinen Dienst leisten müssen.

Sicherheitspolitik und Patriotismus

Für die geplante Wiedereinführung des Militärdienstes scheinen nicht nur sicherheitspolitische Überlegungen ausschlaggebend zu sein. „Der Militärdienst hat das Ziel, Patriotismus unter den jungen Leuten zu stärken“, hieß es in der Mitteilung der Regierung.

Der König äußerte sich im Anschluss an die Sitzung des Ministerrats ähnlich. In einer im Fernsehen übertragenen Rede anlässlich des Feiertags zur Erinnerung an die Befreiung von der Kolonialherrschaft zielte er auf die Perspektivlosigkeit der Jugend ab.

Gibt es sicherheitspolitische Bedrohungen, die die Rückkehr zur Wehrpflicht erfordern?

Nachrichtenportal „Alyaoum24“

Die Regierung forderte er auf, sich stärker gegen Arbeitslosigkeit einzusetzen. Das Bildungssystem müsse dringend reformiert und das Ausbildungssystem an die Bedürfnisse des Arbeitsmarkts angepasst werden. „Wir dürfen nicht akzeptieren, dass unser Bildungssystem wie eine Maschine Legionen von Arbeitslosen produziert“, sagte er laut offiziellem Manuskript. Den Wehrdienst erwähnte er dabei nicht explizit.

Das marokkanische Nachrichtenportal Alyaoum24 bewertete die Verknüpfung von Beschäftigungs- und Sicherheitspolitik kritisch. „Gibt es sicherheitspolitische Bedrohungen, die die Rückkehr zur Wehrpflicht erfordern?“, fragte die Zeitung, „oder sind das Ziel die jungen Leute, die unter Arbeitslosigkeit und mangelnder Disziplin leiden?“

Auch in den sozialen Medien wurde die Wehrpflicht diskutiert. Die Regierung gestehe ein, dass sie gescheitert sei, den jungen Leuten eine Perspektive zu geben, kritisierte ein Twitter-Nutzer. Statt kritisches Denken, Kreativität und Innovation zu fördern, produziere der Staat junge Leute mit einer „Mentalität von Soldaten.“

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!