: „Wehe, wenn das nach rechts losgeht“
■ Michael Daxner, Präsident der Universität Oldenburg, warnt vor dem „frivolen Spiel“, den Hochschulen das Personal zu streichen
taz: Können die Universitäten nicht mit Geld umgehen?
Michael Daxner: Das können wir allemal besser als die staatliche Verwaltung.
Die deutschen Hochschulen sollen künftig ihr Geld mittels Globalhaushalten selbst verwalten dürfen. In Berlin ist dies mit radikalen Kürzungen verbunden.
Die Globalhaushalte sind eigentlich etwas ganz Gutes. Was in Berlin gemacht wird, ist einfach eine schlechte Politik. Ich befürchte nur, daß das Berliner Modell andere Bundesländer ermutigen wird, genauso schamlos Studien- und Forschungskapazität zu vernichten. Paradoxerweise warnt Bildungsminister Rüttgers gleichzeitig davor, Hochschulen angesichts steigender Studierendenzahlen zu schließen. 2,4 Millionen Studierende soll es in vier Jahren geben. Das erfordert eigentlich einen enormen Ausbau von Kapazitäten an Hochschulen.
Mehr Geld wird es wohl nicht geben.
Ja, aber der Abbau von HochschullehrerInnen ist vollkommen unverständlich. Die Rationalisierungsreserven sind doch überhaupt noch nicht ausgeschöpft. Man kann doch nicht mit dem Personal anfangen!
Womit dann?
Allein im Verwaltungs- und Baubereich sind an fast allen Hochschulen erhebliche Rationalisierungsreserven vorhanden. Damit könnte man ein Vielfaches von dem erwirtschaften, was durch Personalkürzungsmaßnahmen hereinkommen soll. Aber so fällt die Bundesrepublik zur Zeit in den Rang eines mittleren Entwicklungslandes zurück. Und nur zur Warnung für alle, die glauben, sie können sich das leisten: Das letzte Mal hatte die OECD 1963 in einem Bericht die Situation so deutlich beschrieben – das hat zu den Unruhen beigetragen, die von den Hochschulen ausgegangen sind.
Ernsthaft: Erwarten Sie Proteste von Studenten?
Hier wird ein frivoles Spiel getrieben. Erst wird der Reaktor hochgekitzelt. Nachher wundert man sich, daß es explodiert. Und es wird explodieren – vielleicht schon im Wahljahr. Ich kann nur warnen: Wehe, wenn das nach rechts losgeht!
Welche Rolle spielen Wissenschaft und Forschung in Deutschland?
Unsere Rolle ist größer als von vielen gedacht. Es ist ja nicht so, daß gar nichts funktioniert. Es geht bloß furchtbar schlecht und mühsam voran. Wir haben ein gewaltiges wissenschaftliches Potential. Nur, Potential heißt nicht automatisch Realität.
Woran muß sich die Universität messen lassen, um international bestehen zu können?
Meiner Meinung nach gibt es drei Grundsätze: Wissenschaft muß die Probleme, die bereits erkannt sind, besser und schneller lösen helfen. Zweitens erwarte ich, daß jeder Mensch, der einen Hochschulabschluß hat, in der Lage ist, sich in den bestehenden Berufsfeldern Tätigkeiten zu erobern. Drittens brauchen wir Hunderttausende AbsolventInnen, die die Kluft zwischen Laien und Expertenkultur in einer Gesellschaft schließen helfen. Dazu muß das Hochschulsystem wachsen und offen bleiben. Interview: Oliver Schilling
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