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Wegen fieser Botschaften im InternetFacebook-Troll hinter Gittern

Ein 25-jähriger Brite hinterließ Hassbotschaften auf Facebookprofilen von verstorbenen Teenagern - dafür wurde er jetzt gerichtlich verurteilt.

Star Wars Kid kämpft gegen Yoda - was mit Videobearbeitungsprogrammen am heimischen Rechner alles möglich ist. Bild: screenshot youtube

Sie sind die Fußball-Hooligans des Netzes. So genannte "Trolle" finden sich auf jeder Online-Plattform, auf der sie – meist unter dem Schutz vermeintlicher Anonymität – auf Jagd gehen. Ihr Ziel ist es andere Menschen zu empören, zu verstören, Aufmerksamkeit zu generieren. Was für die einen ein pubertärer oder gar intellektueller Spaß ist, nimmt manchmal beunruhigende Formen an.

Sean Duffy ist 25 Jahre alt, arbeitslos und hat ein Alkoholproblem. In den Überschriften der Boulevardmedien Großbritanniens heißt er kurz "Sicko", "Leichenschänder", oder kurz: "Troll". Was er getan hat, schockiert viele. Gezielt suchte er die Facebook-Seiten von Teenagern auf, die gestorben waren und hinterließ dort Hass-Botschaften. Der Mutter einer 14-Jährigen, die an einem epileptischen Anfall gestorben war, schickte er eine Botschaft: "Hilf mir Mami, in der Hölle ist es so heiß" – ausgerechnet am Muttertag. Eine 15-Jährige, die von einem Personenzug getötet worden war, verhöhnte er, in dem er ihr Bild auf die Comic-Zeichnung eines Zuges montierte. Vier Fälle sind bekannt, in denen er die trauernde Angehörige mit seinen Kommentaren schockieren wollte - und dafür wurde er jetzt gerichtlich verurteilt.

Attacken aus dem Dunkeln

Duffy kannte seine Opfer nicht, wusste nicht, wie seine Hass-Botschaften bei den Eltern ankamen. Er konnte nur sehen, wie Freunde und Geschwister der getöteten Jugendlichen auf die Provokationen reagierten. Das reichte ihm offenbar auch schon. Trolle nähren sich von der Aufmerksamkeit, die man ihnen entgegenbringt. Jedes Tabu, jede Emotion wird von ihnen ausgebeutet, um das gewünschte Ziel zu erreichen.

"Sie haben den trauernden Freunden und Familien unerhörtes Leid zugefügt", sagte der Richter in Reading, bevor er Duffy ins Gefängnis schickte. 18 Wochen Haft lautete das Urteil, dazu darf sich Duffy fünf Jahre lang nicht mehr an sozialen Netzwerken im Internet teilnehmen. Grundlage für die Verurteilung ist der "Malicious Communications Act" von 1988, der es unter Strafe stellt, "unanständige" Nachrichten zu versenden, die beim Empfänger für Empörung oder Ängsten führen sollen. Der 25-Jährige ist nicht der erste Internet-Troll, der unter Anwendung der Vorschrift verurteilt wurde. So wurde bereits 2005 ein Mann verurteilt, weil er Angehörigen von Menschen, die nach dem Tsunami in Asien vermisst wurden, falsche Todesnachrichten per E-Mail schickte.

Aus Spaß wird Mobbing

Trolle finden in sozialen Netzwerken viele Informationen, die sie ausbeuten können: Fotos, persönliche Details, manchmal auch Videos. Im Internet finden sich viele Baukästen, mit denen jedermann Bilder manipulieren oder mit Text versehen kann. In den letzten Jahren hat sich eine gewisse Troll-Kultur herausgebildet. Auf Plattformen wie "4chan" versuchen sie sich gegenseitig mit Geschmacklosigkeiten zu überbieten oder regelrechte Kampagnen zu starten. Die Grenze ist schwer zu ziehen zwischen gedankenlosem Spaß oder desaströsem Mobbing.

Eins der bekanntesten Beispiele ist das Video des "Star wars Kid", das einen täppischen Jungen zeigte, wie er Übungen mit seinem Laserschwert vollführte. In kürzester Zeit verbreiteten sich Dutzende von Überarbeitungen des Videos. So schnitten Spaßvögel die ungeschickten Versuche mit echten Szenen aus "Star Wars" zusammen – ein gelungenes Anschauungsstück dafür, was mit Videobearbeitungsprogrammen am heimischen Rechner möglich ist. Aus dem peinlichen Video wurde so ein weltweites Phänomen. Weniger lustig war dies für den Jungen: die Presse druckte seinen Namen, er wurde Opfer von jeder Menge Spott und musste sich in psychiatrische Behandlung begeben, sogar in eine andere Stadt ziehen. Doch auch dort war das "Star Wars Kid" natürlich bekannt. Noch sieben Jahre später wurden Bilder von ihm in der Boulevardpresse veröffentlicht.

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9 Kommentare

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  • AI
    An Internet Abschaffen:

    Das ist zu kurz gedacht. Klar hat das Internet Schattenseiten, aber beim Handykauf kann man darauf achten, wo es produziert wurde.

     

    Die neue Welle der Politikbewegung bei den Jungen, wie in Spanien, oder die Revolutionen in Libyen wären ohne Internet nicht denkbar gewesen.

     

    Insgesamt bringt es doch viel mehr Vor- als Nachteile, und es der Bequemlichkeit halber abschaffen zu wollen, ist genauso überzogen, wie sich nur noch auf das Netz als Lebensmittelpunkt zu konzentrieren. Das rechte Maß halten müssen Sie lernen.

  • DF
    der finne, trolljäger

    "Ist doch lustig" scheint sich so manch ein troll zu sagen. und natürlich nicht nachzudenken. unfreiwillig in der öffentlichkeit verarscht zu werden kann labile charakter schon übel zurichten. das unterscheidet das star wars kid vom numa numa guy.

     

    dann gibt es natürlich die fälle, wo die dummheit des gemobbten eine rolle spielt, siehe jesse slaughter und ihr vater ("you dun goof'd") - ohne die kranken 4chan-aktionen rechtfertigen zu wollen... hier hat jemand nicht nachgedacht und die wucht der troll-communities unterschätzt.

     

    aber vor allem ist es ein unterschied, ob witze auf kosten unbekannter verstorbener gemacht werden oder über verstorbene persönlichkeiten des öffentlichen lebens hergezogen wird. beides ist moralisch verwerflich, aber nur letzteres weitgehend geduldet. Michael Jackson- oder Lady Di-witze werden auch heute noch erzählt.

     

    18 Wochen Knast... okay... ich hätte den jungen mann in einer station für todkranke kinder schuften lassen um ihn mal hautnah an dem leid teilhaben zu lassen über das er sich so köstlich amüsiert...

  • X
    xxx

    Ups, hab ich mich verlesen, danke für den Hinweis.

  • B
    Blub

    18 Wochen nicht 18 Monate der is für 4,5 Monate weggesperrt.

     

    Und das Beispiel mit dem Jungen sollte zeigen was es für Folgen haben kann, also wie anfangs aus einem Spaß das Viedeo des Jungen zu bearbeiten ein Erdrutsch wurde der ihn bis in die Klapse gebracht hat.

  • T
    Torsten

    xxx: 18 Wochen Haft, nicht 18 Monate.

  • P
    Prinzenrolle

    Was hier in dem Artikel nicht erwähnt wird, ist dass der Mann anscheinend unter dem Asperger-Syndrom leidet.

     

    Was natürlich keine Rechtfertigung für die Tat, aber ein zu berücksichtigender Umstand ist.

  • X
    xxx

    Natürlich ist das geschmacklos und verletztend gewesen, aber eineinhalb Jahre Gefängnis???

    Das ist doch eher heftig. Für die Titanic gibt es aber nur ne Rüge vom Presserat, oder wie?

    http://11k2.wordpress.com/2010/03/08/enke-karikaturen-presserat-rugt-titanic/

    Klar, ist ein wenig anders gelagert und soll sowas wie einen gewissen Anspruch haben, aber für Angehörige dennoch sicher kaum minder verletzend...

     

    Und was hat das ganze eigentlich mit dem armen Yedi-Jungen zu tun? Ich hoffe, er steht da irgendwann drüber. Die diesen Jungen in die Psychiatire gebracht haben, wurden ja scheinbar nicht dafür zur Verantwortung gezogen.

  • IA
    Internet abschaffen

    Der Begriff "Troll" zeugt schon von der ganzen Krankheit des Internets, genauso wie Mitfahrgelegenheit als Abschiedsgruß zu verwenden.

    Bands klauen sich Namen von anderen Bands und weil sie dann als erstes auf Myspace (das Hauptproblem an Facebook ist, daß es von dort geklaut ist) waren, glauben sie, sie hätten "Rechte".

    Und so werden aus netten tollkühnen Gnomen eklige Mobber und aus Griechen ein Computervirus.

    Das ganze ist eine einzige Geldmaschine, in der aus Scheisse Milliarden gemacht wird, dazu verkauft man noch Elektronik, die kein Mensch versteht und die nach drei Jahren kaputt geht, wenn sie nicht vorher wegen "Veralterung" in den Müll kommt. Dafür werden dann Millionen Kongolesen massakriert, weil man ja Rohstoffe braucht: Blut fließt in Strömen aus den Handies, aber dafür wird niemand verknackt, auch nicht für den Telefonterror von Sabbelköpfen im Supermarkt oder auf der Strasse, die in ihre Umwelt schreien in einem widerlichen Selbstgespräch.

    Verknackt werden stattdessen "Trolle", die es ohne Internet gar nicht geben würde, denn wenn es sie zuvor gegeben hätte, wären wir an Kriminalität erstickt.

  • WV
    Wa ve

    Konstruktive Diskussionen wären die Zersetzung für das Böse.

    Daher gibt es keine konstruktiven Foren und Wave wurde abgeschaltet.

    Die Betreiber löschen/deleten lieber wie ein Diktator oder undemokratische Partei-Chefs mit Top-Down-Einheits-Meinung statt die Ursache zu bekämpfen.

    Und keiner will etwa dagegen tun. Herum-haten, Fanboitum und Trollismus sind beliebter als konstruktive Diskussionen ohne gegenseitige Beleidigungen.

    Ein openstreetmap-Gründer wurde von den endlosen wiederholenden Mailing-List-Diskussionen so entnervt, das er jetzt für Microsoft arbeitet. Bald müssen sicher alle Handies mit Lokaldiensten Trivialpatent-Provisionen an Microsoft abdrücken.

     

    Die neuen Demokratien sind auch nicht besser.