Wegen Treibhausgasen: Vegetarier wollen Fleisch verteuern
13 Prozent des Treibhausgases in der EU kommen laut einer offiziellen Studie aus Erzeugung tierischer Lebensmittel. Vegetarierbund fordert höhere Mehrwertsteuer.
BERLIN taz | Mit der Erzeugung von Fleisch, Milch und Eiern verursacht die Landwirtschaft der Europäischen Union 12,8 Prozent des EU-Treibhausgasausstoßes. Zu diesem Ergebnis kommt die Gemeinsame Forschungsstelle der Europäischen Kommission in einer neuen Studie. Der Vegetarierbund Deutschland forderte deshalb, den bisher ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Fleisch- und Milchprodukte von 7 auf die regulären 19 Prozent zu erhöhen.
Die Wissenschaftler haben nach eigenen Angaben alle "Emissionen im Zusammenhang mit Nutztierhaltung und der Produktion von Futter" berücksichtigt. Zum Beispiel das Methan, das Kühe rülpsen, oder die Treibhausgase, die bei der Produktion von Mineraldüngern und Pestiziden für den Anbau der Futterpflanzen anfallen. Auch die großen Mengen Kohlendioxid (CO2), die frei werden, wenn für den Anbau des Futtermittels Soja in Brasilien Wald gerodet wird, sind eingerechnet. Da allerdings laut den Forschern besonders für diese Landnutzungsänderungen "gute Daten fehlen", geben sie die Emissionen auch ohne diese Effekte an. Selbst dann bedingt die Produktion tierischer Lebensmittel 9,1 Prozent des Treibhausgasausstoßes.
Am meisten schaden laut Studie Produkte von Wiederkäuern dem Klima, weil diese Tiere beim Verdauen besonders schädliche Gase freisetzen: Jedes Kilogramm Rindfleisch verursache eine Treibhausgasmenge mit einer Wirkung wie 22 Kilo Kohlendioxid ("CO2-Äquivalente"). Bei Schaf- und Ziegenfleisch sind es immerhin noch 20 Kilo. Schweinefleisch dagegen kommt nur auf 7,5 Kilo, Geflügel auf 5 Kilogramm.
Klimafreundliche Eier
Die Produktion von Eiern und Milch ist klimafreundlicher als die sämtlicher Fleischarten, weil die Tiere dafür weniger Energie benötigen als dafür, die gleiche Menge Fleisch anzusetzen. Deshalb ist jeweils 1 Kilogramm Eier, Schafs- und Ziegenmilch nur für jeweils 3 Kilo CO2-Äquivalente verantwortlich. Doch am klimafreundlichsten ist nicht verarbeitete Kuhmilch: 1 Liter verursacht nur 1,4 Kilogramm Treibhausgas.
Vegetarierbund-Geschäftsführer Sebastian Zösch wies darauf hin, die UN-Welternährungsorganisation (FAO) habe errechnet, dass die Tierhaltung sogar 18 Prozent der Treibhausgase verursache. Diese Zahl bezog sich, anders als die aktuelle EU-Studie, aber auf die ganze Welt, nicht nur auf die Staaten der Europäischen Union. Zösch: "Auf jeden Fall ist das ein Posten, den man sowohl als Verbrauer als auch als Politiker beachten muss."
19 Prozent Mehrwertsteuer auf Sojamilch
"Wir sehen das als weiteren Grund, den Konsum von Fleisch und anderen tierischen Produkten zu reduzieren oder einzustellen", sagte der Vegetarierlobbyist. Es sei nicht zu akzeptieren, dass der deutsche Fiskus auf Fleisch und Milchprodukte nur 7 Prozent, auf Sojamilch aber 19 Prozent Mehrwertsteuer erhebe.
Der Deutsche Bauernverband lehnte die Forderung ab. "Wir sind grundsätzlich gegen Steuererhöhungen", sagte Sprecher Michael Lohse. Außerdem sei die Ernährung von Wiederkäuern die einzige Möglichkeit, die für Klimaschutz und Artenvielfalt wichtigen Wiesen zu nutzen. Vegetarier argumentieren aber, dafür reiche ein Bruchteil der heute gehaltenen Tiere aus. Zu der EU-Studie äußerte sich Lohse nicht. Er verwies aber auf eine FAO-Untersuchung vom April, wonach der Milchviehsektor nur für 4 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. Diese Untersuchung, die sich also nicht nur auf die EU, sondern auf die ganze Welt bezieht, lässt die z. B.durch Schweine- und Geflügelhaltung verursachte Emissionen außer Acht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen