: Weg frei für neue Koalition in Israel
Der Zentralrat der Likud-Partei unterstützt Koalitionsverhandlungen mit der oppositionellen Arbeitspartei. Die muss sich jetzt auf Kandidaten für die zu vergebenden Ministerposten einigen. Die zentralen Ämter sollen bei Ariel Scharons Likud bleiben
AUS JERUSALEMSUSANNE KNAUL
Israels Premierminister Ariel Scharon nimmt mit der Rückendeckung der eigenen Partei Koalitionsverhandlungen mit der oppositionellen Arbeitspartei auf. Hatte der Likud noch im vergangenen Sommer ein Zusammengehen mit den Sozialisten ausgeschlossen, so befürwortete eine deutliche Mehrheit der Zentralrats-Mitglieder diese Woche eine Koalition mit der Arbeitspartei und der ultraorthodoxen Fraktion Judentum und Thora sowie der orthodox-orientalischen Schas. Scharon, dessen Regierung auf derzeit 40 der insgesamt 120 Knesset-Mandate zurückgeschrumpft ist, hofft, die Verhandlungen innerhalb von zehn Tagen, möglicherweise früher, abschließen zu können.
Schimon Peres, Chef der Arbeitspartei, sagte, seine Partei begrüße die Bildung einer neuen Koalition. Er hoffe, dass die Entscheidung des Likud-Zentralkomitees „einen Schritt vorwärts im Friedensprozess“ bedeute. Der Zentralrat der Arbeitspartei ist morgen aufgerufen, über einen Termin für die parteiinterne Kandidatenaufstellung und damit indirekt über einen Regierungsbeitritt zu entscheiden. Nach heftigen internen Auseinandersetzungen einigten sich Parteichef Peres und sein Widersacher, der frühere Ministerpräsident Ehud Barak, auf Ende Juni. Der Termin wird mit großer Wahrscheinlichkeit von der Mehrheit der Zentralratsmitglieder befürwortet werden.
Peres hätte die „Primaries“ lieber erst Ende kommenden Jahres abgehalten. Wäre es nach Barak gegangen, hätte die Arbeitspartei den Abzugsplan aus dem Gaza-Streifen von den Sitzen der Opposition aus unterstützt und gleichzeitig auf vorzeitige Neuwahlen gedrängt.
Scharon signalisierte bereits, dass die zentralen Ämter, Finanzen, Außen- und Verteidigungspolitik, vergeben sind. Die Sozialisten hoffen nun auf das Innenministerium, die Nationale Infrastruktur – ein Amt, das vor Jahren eigens für Peres geschaffen wurde – und das Erziehungsministerium. Sinn würde auch das derzeit diskutierte neue Amt des Ministers für den Abzug in Peres’ Händen machen.
Bei den bevorstehenden Koalitionsverhandlungen wird es indes nicht nur um die Postenverteilung gehen. Die Arbeitspartei hatte angesichts der wachsenden Armut in Israel jüngst ein Misstrauensvotum gegen den Haushaltsplan für das kommende Jahr initiiert. Über das Budget war Scharons Koalition mit der antireligiösen Schinui zerbrochen.
Schinui-Chef Tommi Lapid beobachtet die Verhandlungen zwischen Scharon und Peres mit großem Unmut, hatte der Oppositionsführer ihm doch garantiert, nicht ohne die Schinui ins Kabinett einzuziehen. Lapid appellierte gestern erneut an Peres, sein Versprechen zu halten und „nur einer weltlichen Koalition“, Schinui inklusive, beizutreten.
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