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Wechsel im UmlandJetzt wird's niedersächsisch

■ Gerhard Glogowski darf nach Schröders Abdankung endlich ans Ruder, nachdem er jahrelang als Innenminister gedient hat

Schon seit Jahren wartet er darauf, jetzt darf er endlich ans Ruder: Gerhard Glogowski, bislang Innenminister und stellvertretender SPD-Landesvorsitzender, wird vom kommenden Mittwoch an in Niedersachsen auf der Kommandobrücke stehen. An seiner Wahl im Landtag zum siebten Ministerpräsidenten in der Geschichte des Landes besteht kein Zweifel. Er tritt damit in die Fußstapfen von Gerhard Schröder, der am Tag zuvor in Bonn zum Bundeskanzler gewählt werden soll.

Übung hat der 55 Jahre alte Sozialdemokrat im neuen Amt bereits. Schon seit 1990 ist er stellvertretender Regierungschef. Vor allem in den vergangenen Monaten, als Schröder wahlkampfbedingt kaum noch Zeit zum Regieren hatte, führte er die Amtsgeschäfte. Diese hätte „Glogo“, wie er in Niedersachsen nur genannt wird, gerne schon viel früher ganz übernommen. So brachte er sich bereits 1993 für die Nachfolge Schröders ins Gespräch, als dieser den zurückgetretenen SPD-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten Björn Engholm beerben wollte. Dies scheiterte jedoch. So blieb auch Glogowski auf seinem alten Posten und wurde zum „dienstältesten Innenminister“ Deutschlands, wie er sich selbst bisweilen bezeichnete.

„Ich bin Bergsteiger. Da habe ich gelernt, Schritt für Schritt zu gehen“, sagte Glogowski, als nach der Bundestagswahl vom 27. September endlich klar war, daß er nun doch auf den Gipfel gelangen würde. Noch in der Wahlnacht wurde er gefragt, was sich unter ihm im Vergleich zu Schröder ändern werde. „Es wird niedersächsischer in Niedersachsen“, lautete die Antwort. Im Gegensatz zu Schröder habe er keine bundespolitischen Ambitionen und wolle sich ganz auf das Land konzentrieren.

Offenbar will Glogowski viel stärker als Schröder die Rolle des Landesvaters spielen. Einen Vorgeschmack darauf gab er bereits beim SPD-Landesparteitag Anfang Oktober in Hameln. „Ich bin ein Kind dieses Landes“, bekannte er da. Ein solcher Satz wäre aus dem Mund Schröders kaum vorstellbar gewesen. Inhaltlich soll sich mit dem Übergang jedoch nicht viel ändern. „Der Wechsel an der Spitze der SPD-Landesregierung ist kein Regierungswechsel“, kündigte der Neue in Hameln an und versprach „Kontinuität im Wandel“.

Ändern wird sich aber mit Sicherheit der Politikstil. In den vergangenen acht Jahren war die Regierungsar-beit stark auf Schröder konzentriert. Er war der starke Mann, der heikle Themen schnell zur „Chefsache“ erklärte. Ausufernde Diskussionen im Kabinett schätzte er nicht. Entsprechend kurz fielen die Sitzungen oft aus. Dagegen seien die Diskussionen in den vergangenen Monaten, als Glogowski die Kabinettssitzungen schon leitete, wesentlich lebhafter geworden, heißt es aus dem Kreis der Teilnehmer.

An die Stelle des Machtmenschen Schröder tritt mit Glogowski ein Regierungschef, der mehr auf Teamarbeit setzt. Davon verspricht sich auch die mit einer komfortablen absoluten Mehrheit ausgestattete SPD-Landtagsfraktion wieder mehr Einflußmöglichkeiten auf die Landespolitik. dpa

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