Webmagazin „Die Featurette“: Ja zur Frauenquote
Das neue Web-Magazin „Die Featurette“ will Frauen im Netz zu mehr Sichtbarkeit verhelfen. Das könnte den Macherinnen sogar gelingen.
Im Netz wird gestohlen, gemobbt, geliebt, politisiert, archiviert und revoltiert. Wer immer noch annimmt, dass im Digitalen andere gesellschaftliche Mechanismen wirken als im Realen, täuscht sich gewaltig. Hier herrschen jene, die sich die gesellschaftliche Wirklichkeit schon längst unter den Nagel gerissen haben, nämlich Männer.
Zwar sind weibliche Bloggerinnen mit fast 60 Prozent im Netz ziemlich aktiv, jedoch nicht präsent. Wirft man nämlich einen Blick auf die Rankings der beliebtesten Blogs, reduziert sich die Zahl auf magere 4 Prozent.
Seit der vergangenen re:publica im Mai 2012 ist nun das Web-Magazin „Die Featurette“ online, das „ein Portal in die weibliche Bloggerinnensphäre“ werden soll, so Susanne Klingner, eine der Initiatorinnen. Die ehemalige taz-Kolumnistin ist, neben Katrin Rönicke und Barbara Streidl, Teil der feministischen Initiative „Frau Lila“, Koautorin von „Wir Alphamädchen“ und Gründungsmitglied der Plattform mädchenmannschaft.net.
Ziel dieser Initiativen ist es, mit teilweise sehr unterschiedlichen Ansprüchen an die Wirklichkeit und den Mainstream das von männlichen Usern geprägte Netz feministisch zu unterwandern. Dabei ziehen nicht immer alle an einem Strang. Klingner, Rönicke und Streidl sind nämlich mittlerweile nicht mehr Teil des preisgekrönten Bloggerinnenportals.
„Während die mädchenmannschaft mittlerweile einen eher akademischen Anspruch hat und einiges an Vorwissen voraussetzt, wollen wir hingegen auch Achtklässlerinnen erreichen, die sich vielleicht noch nicht weiter mit dem Feminismus beschäftigt haben“, meint Klingner und rechtfertigt damit auch die Trennung.
Reich an Ideen und Strategien
Feminismus und Mainstream – kritisieren und gleichzeitig Part of the Game sein? Natürlich darf man das. Eine vielfältige Medienpräsenz veranschaulicht letztendlich, wie reich der Feminismus an Ideen und Strategien ist und wie von unterschiedlichen Ebenen ausgehend auf die Gesellschaft Einfluss geübt werden kann. Auch im virtuellen Raum kann man Frauen an ganz unerwarteten Orten erreichen.
„Es ist immer wieder schön, den Aha-Effekt bei Feminismus-Anfängerinnen zu beobachten“, meint Susanne Klingner. Sie will Frauen und Mädchen dort erreichen, wo sie gerade stehen, und nicht von theoretischen Elfenbeintürmen auf sie herabblicken. In feministischem Lila schwingt sich der Schriftzug die Featurette selbstbewusst über den Bildschirm. Darunter reihen sich gesellschaftskritische Blogs wie das Gespenst der Armut, aber auch DIY-Nähanleitungen und Kochrezepte, die fuckermothers, und sogar ein Vater darf hier mitbloggen (Väterblog).
Mittlerweile sind es bereits dreißig Blogs, die hier verlinkt werden – eine individuelle Auswahl der Herausgeberinnen. So entsteht ein Magazin, das zwischen unterschiedlichen feministischen Sichtweisen Bezüge herstellt, ohne sie dogmatisch aneinanderzuketten. Die Ressorts Technik, Sport oder Games wird frau dort jedoch vergeblich suchen.
Das ist schade, denn vor allem diese Themenfelder sind männlich konnotiert und viel mehr im Mainstream verhaftet als Körperpolitik oder das Selbstermächtigungsprinzip DIY. Dass sich zur Programmierung der Website keine Programmiererin finden ließ, ist ebenso desillusionierend, verdeutlicht aber, dass die virtuelle Welt eben kein Paralleluniversum, sondern Abbild realgesellschaftlicher (Miss-)Verhältnisse ist. Leider hätte sich keine Programmiererin für den Job gemeldet, bedauert Initiatorin Klingner.
Frauen zu ermutigen, in die Öffentlichkeit zu treten, ist deshalb immer noch die wichtigste feministische Säule und ausgesprochenes Ziel des neuen Web-Magazins „Die Featurette“. Wie sehr es sich tatsächlich am Mainstream orientiert, wird die Zukunft noch weisen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Doku über deutsche Entertainer-Ikone
Das deutsche Trauma weggelacht
Nach dem Sturz von Assad in Syrien
Türkei verkündet Erfolg gegen syrische Kurden
Proteste gegen LNG-Gipfel in Berlin
Partycrasher am Luxushotel
Syrische Geflüchtete in Deutschland
Asylrecht und Ordnungsrufe