Wassersport: Nur ein bisschen Kraft in den Armen

Auf der Kieler Woche findet seit 1889 alljährlich auch eine Marinekutter-Regatta statt - angeblich auch, um Nachwuchs zu rekrutieren. Der findet aber fast nie wegen der Kieler Woche zur Marine.

Keine Nostalgie: Eher schmucklose Kunststoff-Kutter der Marine vor dem Kieler Tirpitzhafen. Bild: Frank Molter

Der Soldat riecht morgens um acht nach Bier, aber wo es lang geht, weiß er. Runter und dann links. Da ist die Hauptwache des Marinestützpunkts Kiel. Das eine Schild, das hier hängt, weist darauf hin, dass die Gefahrenstufe "Alpha" ist und das zweite besagt, dass der Hund beißt.

Der Fahrer, der uns zum Hafen bringt, erklärt, dass es zwei Zeltplätze gibt. Den einen für die Teilnehmer der internationalen Klasse und den zweiten für den Nachwuchs. Die ersteren seien schon etwas älter, bei den anderen, den über 200 Jugendlichen zwischen 16 und 19 Jahren, würde es ja dermaßen abgehen. "LSD", sagt der Fahrer, sei angesagt: "Laufen, saufen, drehen." Die Reihenfolge stimmt nicht, das Laufen kommt nach dem Saufen, natürlich auf ex, und nach dem Drehen kippen die Kids um.

Aber eigentlich geht es um Marinekutter. Unverzichtbarer Bestandteil der Kieler Woche. Seit 1889, da war Kaiser Wilhelm II. mal wieder in Kiel und sah, dass seine kaiserlichen Marinesoldaten mit Beibooten tüchtig gegeneinander ruderten. "Das hat Uns sehr gefallen", sagte seine Majestät. Und: "Das machen Wir im nächsten Jahr wieder." Auf die Kutter kamen Segel, und daraus ist nach und nach die Kieler Woche entstanden.

Das "Kutterrace", bei dem mit langen, hölzernen Riemen gepullt wird - innerhalb der für die Kieler Woche exotischen Marinekutter-Wettbewerbe noch exotischer als der Rest - ist also der historische Kern des Ganzen.

Kapitänleutnant Torsten Krüger, bei der Marine für Pressearbeit zuständig, sagt: "Noch können wir uns das leisten." Die Marine finanziert ihr Engagement bei der Kieler Woche aus eigenen Mitteln. Natürlich hofft man, auf diese Weise junge Leute für den Dienst zu gewinnen. Ob das klappt, sei "nicht messbar", sagt Kröger, der Nachwuchssoldaten immer wieder fragt, warum sie zur Marine kamen. Aber es sagt eigentlich nie einer: durchs Segeln auf der Kieler Woche.

22 der in sechs Bootsklassen eingeteilten Kutter werden von der Marine gestellt, die ihren Nachwuchs noch immer in Marinekuttern ausbildet. Sechs Kutter werden demnächst aussortiert. "Da müssen wir entscheiden, ob wir das weiter machen wollen", sagt Kröger. In dieser Hinsicht ist die Gefahrenstufe sicher nicht "Alpha".

Auf dem Wasser haben wir vier Knoten Wind, was so eben noch zum Segeln reicht. Wir sitzen im Boot der Rennleitung. Kapitänleutnant Thomas Geburzky, 53, ist der Chef. Mit 16 ist er hier gesegelt und gerudert. Mit 54, nach neun Jahren als Wettfahrtleiter und acht als Schiedsrichter, wird er pensioniert. "Das hier", sagt er, "ist eine Crew der Nato-Dienststelle Kiel mit Türken, Griechen, Franzosen und Engländern." Hauptbootsmann Thorsten Klein warnt uns, denn da kommt der Kutter des Stabs der Einsatzflottille I "Kiel" und gewinnt seine Wettfahrt. Zum Start und für den Sieger wird geschossen, da sollte man sich die Ohren zuhalten.

Bei den Niederländern, die eine entspannte Haltung im Boot einnehmen, hat Skipper Hidzer van der Heide trotz Rauchverbots eine Zigarre im Mund und trägt eine Kappe, die auch verboten gehört. Die Zigarre ist kalt.

Von den neun Leuten im Boot haben zwei nichts zu tun. Das hat schon etwas, so in der Sonne. Auch bei der Wettfahrtleitung herrscht ein leichter Ton, und jeder weiß, dass das bei der Marine anders war, als Tirpitz und Hindenburg nicht nur Namen von Straßen und Häfen und Molen waren.

Bei der zweiten Wettfahrt heute Morgen holen beim Nachwuchs die Kinder der Gesamtschule Bremen mit "Balu" den Sieg. Lehrer Christoph Kurp, 56, der das seit 16 Jahren macht, bedient die Pinne. Deutsch, Mathe, Sport, Arbeitslehre - und Segel-AG. Immer dienstags am Nachmittag, das Boot gehört dem Jugend-Kutterwerk Bremen. Auch hier ein Altersproblem: In der Jugendklasse ist mit 57 Schluss, weshalb Herr Kurp demnächst einen Nachfolger als Steuermann suchen muss. Aber in seiner Segel-AG sind nur Schüler bis Klasse 10 - und die haben noch nicht den richtigen Segelschein. Herr Kurp will nun einen seiner früheren Schüler motivieren, das Schiff zu steuern.

"Heute ist letzter Schultag", sagt Kurp, "nur diese Schüler hier arbeiten noch." Doch da irrt Herr Kurp wohl, denn Amy, 13 und Jan, 16, sehen nicht so aus, als würden sie arbeiten. Amy ist auf der "Balu" für die Fock-, Jan für die Großschot zuständig. Die Jungs und Mädchen der Gesamtschule Bremen zelten auf dem Marinestützpunkt, Jan findet das cool, "weil man da ja sonst nicht so leicht reinkommt". Amy und Jan bekommen auch mit, dass da Party ist, jeden Abend. "Wir dürfen aber nicht mitmachen", sagt Jan. Lehrer Kurp passt auf. Die anderen seien ja so 22, 23, und der Kontakt halte sich in Grenzen.

Jan findet Segeln "eigentlich nicht sehr sportlich". Man brauche "nur ein bisschen Kraft in den Armen, meistens sitzt man im Boot rum". Amy findet, dass der Unterschied zu anderen Sportarten ist, "dass da eben so ein Boot dabei ist". Es macht ihr Spaß, vor allem, "weil sonst ja immer Eltern dabei sind, die sagen: Mach dieses, oder mach jenes". Und hier, sagt Jan, "kann man sogar noch was gewinnen".

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