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Washington feiert Obama"Barack, genieß es!"

Auf diesen Tag haben viele gewartet: viele, die mit dem neuen US-Präsidenten gekämpft haben, viele, die nun auf bessere Zeiten hoffen. Washington war in Ekstase.

Auf dem Höhepunkt der Obamania: Fans in Washington. Bild: ap

Es hat sich gelohnt. Alles. Für Jean-Claude Desmilliers, ein Washingtoner haitianischer Abstammung, war es ein großer, wenn auch anstrengender Tag. Der 46-Jährige war am Dienstagmorgen um 2.30 Uhr zuerst mit dem Fahrrad, dann mit dem Bus und anschließend mit der U-Bahn in die Washingtoner Innenstadt gereist, um ganz vorne dabei zu sein, wenn Barack Obama seinen Amtseid ablegt. Stundenlang harrte er in der Eiseskälte aus und feierte mit anderen herbeiströmenden Frühaufstehern die neue Ära. "Ich will meinen Kindern erzählen können, dass ich diesen historischen Tag erlebt habe", sagt er etwas erschöpft. Desmilliers, der seit 13 Jahren US-Bürger ist, hat im letzten Jahr monatelang für Barack Obama Wahlkampf gemacht, ist in der haitianischen Community von Tür zu Tür gegangen, hat Prospekte verteilt und um Obama gezittert. Das Bibbern vor dem US-Kapitol am Dienstag war nur noch ein logischer Schlusspunkt für etwas, was sich Desmilliers noch vor einem Jahr in seinen kühnsten Träumen nicht hätte vorstellen können: Dass er, als Migrant, Teil einer Bewegung sein würde, die die USA verändert hat. "Man muß einfach glauben, dass nun alles besser wird", sagt der Taxifahrer.

Dass das, was gerade oben auf den Stufen des Kapitols passiert, noch immer etwas so Unglaubliches ist, das kreischen sich auch Julia, Samantha, Bernice und Shajenne aus dem Leib. "Ich kann es nicht glauben, mein Gott, ist das wahr?", jauchzen die vier High-School-Schülerinnen abwechselnd in die Menge. Die Mädchen sind aufgekratzt und fotografieren sich gegenseitig vor der Kulisse der überfüllten Kongress-Anlage. Es stört sie nicht, dass die abziehenden Menschenmassen an ihnen vorbeidrängen. Sie schwenken ihre Mützen, auf denen mit Pailletten ein Obama-Konterfei aufgenäht ist. Nach dem Amtseid werden sie erst mal nach Hause fahren, sich aufwärmen, um heute Abend mit Klassenkameraden zusammen noch mal richtig einen drauf zu machen. "Wir machen Party bis zum Umfallen", rufen sie. Und immer wieder "Oba-ma, Oba-ma".

Vergessen ist bald auch bei den Hunderttausenden anderen das nervtötende Prozedere, dass ihnen an diesem Tag die nervösen Sicherheitskräfte auferlegt hatten. 40.000 Polizisten hatten schon in der Nacht zum Dienstag die Washingtoner Innenstadt um die Feiermeile "National Mall" herum abgeriegelt. Wer dabei sein wollte, wenn Barack Obama auf der Bibel, die einst Abraham Lincon gehörte, seinen Amtseid schwor, der musste durch die wenigen Checkpoints hindurch. Vor denen hatten am Morgen rasch anschwellende Menschenmassen stundenlang ängstlich gewartet. Immer wieder wurden die Metallgitter verriegelt, um den Zustrom der insgesamt zwei Millionen Besucher zu drosseln. Zwar gab es einzelne wütende Wortwechsel mit den bewaffneten Sicherheitskräften, aber immer wieder obsiegte die Partylaune. Kaum stimmte einer einen bekannten Song an, fielen andere mit ein.

Nicht von ungefähr gibt es großen Jubel, als der neue Präsident in seiner Antrittsrede kurze Zeit später davon spricht, dass "wir nun die falsche Wahl zwischen unserer Sicherheit und unseren Idealen zurückweisen werden". "Yeah" ruft es aus allen Richtungen. Zuvor hat das Publikum, das Fernsehkommentatoren später als das gemischteste, bunteste und ja, auch afroamerikanischste bezeichnen, das je bei einer Vereidigungsfeier zusammengekommen ist, geschwiegen, als sich Barack Obama bei seinem Amtsvorgänger George W. Bush für dessen Dienst an der Nation bedankt.

Dank der "Jumbothrone", den überall aufgestellten Riesen-Videoleinwänden, entgeht niemandem, dass Bush auf der Kapitoltribüne seinem Nachfolger mit versteinerter Miene zuhört. Kaum eine Regung huscht über Bushs Gesicht, als Obama in seiner 17-minütigen Rede eine kraftvolle Zurückweisung nahezu aller Maximen der Bush-Administration ankündigt.

Als schließlich George und Laura Bush vor dem Kapitol mit einem Militärhubschrauber ihre endgültige Heimkehr nach Texas antreten, ruft eine ältere schwarze Dame im Pelz ihnen nach: "Viel Spaß auf deiner Ranch!" – "Ja, und komm bloß nicht wieder", ertönt es spontan aus der lachenden Menge, und immer wieder "Oba-ma, Oba-ma".

Nur die Hartgesottenen halten es bei dem eiskalten Nordwind bis zum Nachmittag aus. Doch als das Präsidentenpaar, vom Ehrenempfang im Kongress kommend, in seiner mächtig gepanzerten Limousine langsam vom Kapitol zum Weißen Haus rollt, hinter ihnen die Militärmusikkapellen und die Präsidentenparade, stehen noch immer Hunderttausende jubelnd, winkend, singend hinter der doppelten Absperrungsreihe am Straßenrand. Washington, das ist nicht zu übersehen, ist verknallt in sein neues, schönes Präsidentenpaar. Doch Michelle Obama, die zu diesem Tag ein sandgelbes, von einer kubanisch-amerikanischen Modedesignerin entworfenes Mantelkleid trägt, lächelt ein bisschen angespannt, als das Weiße Haus in Sichtweite kommt. Als das Paar schließlich winkend aussteigt, um die letzten Meter zu seiner neuen Adresse zu laufen, ruft einer der Jubilanten, "Barack, genieß es! Es sind die letzten Meter, die Du in den nächsten Jahren hier frei herumlaufen wirst."

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