piwik no script img

Was tun in den Problemgebieten?Hilfe zur Selbsthilfe oder Abgabe der Verantwortung?

■ Die von der Studie geforderte Stärkung lokaler Verantwortung wird von den Grünen als Ausstieg aus kommunalen Aufgaben kritisiert

„Selbsthilfepotentiale wecken“ – „Beteiligung der Bewohner an Entscheidungen stärken“ – „Selbstwertgefühl stärken“. Was die Autoren der Studie „Soziale Stadtentwicklung“ unter dem Obertitel „Empowerment durch lokale Partnerschaften“ als Maßnahmen gegen drohende Segregation in den Problemvierteln vorschlagen, mag das Herz zahlreicher Stadtteilaktivisten und Betroffenenvertreter zunächst höher schlagen lassen.

Doch Forderungen wie die nach dem „Aufbau lokaler Netzwerke“ oder der „Stärkung lokaler Akteure“ machen auch skeptisch. Gab es das nicht schon? Soll hier das Rad, kaum daß es abmontiert wurde, wieder neu erfunden werden?

Die bündnisgrüne Baupolitikerin Ida Schillen vermutet, daß hinter Häußermanns Credo des „Empowerments“ keine wirkliche Stärkung lokaler Initiativen und Selbsthilfeprojekte steht. Sie befürchtet deshalb, daß weniger die Betroffeneninitiativen von der „Stärkung ihres Selbstwertgefühls“ profitieren sollen als vielmehr neue Vermittlungsinstitutionen.

Schillen verweist auf die Mittelkürzungen für Organisationen wie den Verein SO36 und die Situation in Marzahn, wo in den letzten Jahren fünfzehn Jugendeinrichtungen geschlossen wurden. Für die grüne Baupolitikerin steht hinter Häußermanns Konzept deshalb ein eher amerikanisches Verständnis der Kommunalpolitik, bei der staatliche Aufgaben zunehmend an private – auch lokale – Träger privatisiert werden. Außerdem verberge sich hinter der Forderung nach „Eigenverantwortlichkeit der Bürger“ oft eine Politik, mit der sich der Staat aus der Verantwortung stehle. „Im Grunde“, so Schillen, „werden damit Leute für die Lösung von Problemen verantwortlich gemacht, die der Staat durch seine Kürzungspolitik erst hervorgerufen hat.“

„Für eine Kommunalpolitik im alten Sinne ist aber kein Geld mehr vorhanden“, antwortet Stadtsoziologe Hartmut Häußermann, einer der Autoren der Studie. Für ihn liegt der Schwerpunkt deshalb vor allem in der Vernetzung lokaler Initiativen sowie einer verstärkten partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den lokalen Akteuren, der Verwaltung sowie privaten Sponsoren. Sanierungsträger wie S.T.E.R.N. könnten dabei die Rolle der Vermittler übernehmen.

Daß man von einer solchen „Erneuerung der Stadterneuerung“, wie sie etwa in den Niederlanden praktiziert werde, noch weit entfernt ist, erklärte S.T.E.R.N.-Mitarbeiter Theo Winters. Dies zeige sich vor allem in der Ergänzung baulicher Maßnahmen um solche arbeitsmarktpolitischer und sozialer Art, die sowohl von Häußermann als auch von Schillen gefordert werden. Eine solche Regionalisierung der Fördermaßnahmen sei im Denken der Verwaltung in Berlin schlicht nicht vorgesehen.

Winters will die neuen Vorschläge denn auch nicht als Kritik an der bisherigen Stadterneuerung, sondern als notwendige Ergänzung verstanden wissen. Uwe Rada

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen