: Was sie vom Papst erwarten
Trump Paroli bieten, zwischen Russland und der Ukraine vermitteln – Papst Leo XIV. soll sich um vieles kümmern. Dabei dürfe er aber nicht die Frauen und die Prävention gegen sexualisierte Gewalt vergessen, fordern Ordensleute

Von Stefan Hunglinger
Erst mal sei da einfach nur Freude gewesen. Die Nonne und Theologieprofessorin Martha Zechmeister saß am 8. Mai gemeinsam mit ihren Studenten, alles junge Ordensmänner, in San Salvador gebannt vor dem Laptop. „Wir haben uns mitreißen lassen von der Stimmung der jubelnden Menge auf dem Petersplatz“, schreibt Zechmeister in einem Brief an den neuen Papst. „Wir haben Dein erstes 'der Friede sei mit euch’ gehört – und wir waren glücklich über dieses kraftvolle Wort.“
Zechmeister, gebürtige Österreicherin, ist Ordensschwester und Vertreterin der „linken“ Befreiungstheologie, sie lebt und lehrt seit 16 Jahren im zentralamerikanischen El Salvador. Frieden ist dort nicht selbstverständlich, die freie Predigt auch nicht. 1980 wurde der salvadorianische Befreiungstheologe und Erzbischof Óscar Romero wegen seines Einsatzes für die Armen von einer rechten Miliz erschossen. Sein Tod markierte den Beginn eines zehn Jahre dauernden Bürgerkriegs.
In ihrem offenen Brief an den „lieben Bruder Papst Leo“ bestärkt Schwester Martha jetzt den früheren Armenbischof Robert Prevost darin, als Papst an der Seite der Entrechteten zu bleiben: „Sprich mit Mut und Autorität gegen die autoritären Machos dieser Welt und ihre tödlichen Strategien. Steh auf gegen die Abschottungspolitik des Nordens gegen die Migrantinnen und Migranten.“
Doch, schreibt Zechmeister, und es ist ihr eigentlicher Punkt: Leo muss auch an die katholischen Frauen denken. Der Pontifex soll „den Mut haben, die Mauern zu durchbrechen, die Deine Schwestern im Glauben, die, die diese Kirche weithin tragen, immer wieder ausschließen und vor den Kopf stoßen“.
Erwartungen an Leo
Nicht nur dieser Brief zeigt, wie groß die Erwartungen an den peruanisch-US-amerikanischen Papst sind. Er soll zwischen der Ukraine und Russland vermitteln, sagt Italiens Premierministerin Giorgia Meloni. Er soll als Anti-Trump der autoritären US-Regierung ins Gewissen reden, sagen viele, die Papst Franziskus verehrten. Gloria von Thurn und Taxis hingegen will, dass der neue Papst und Trump „gemeinsam den Kommunismus besiegen“.
Von der innerkirchlichen Gleichberechtigung von Frauen hält die rechtskatholische Fürstin gar nichts. Doch auch unter den linken Befreiungstheologen gilt manchen die Frauenfrage höchstens als Nebenwiderspruch. Was also ist in dieser Hinsicht zu erwarten von Leo XIV.? Wie ging er als Bischof mit Frauen um? Und wie mit sexualisierter Gewalt? Schließlich gibt es Vertuschungsvorwürfe gegen ihn – in den USA und in Peru, wo Prevost von 2015 bis 2023 Bischof war.
Birgit Weiler lebt seit 30 Jahren in Peru. Die Ordensschwester lehrt Theologie an einer Universität in Lima und arbeitet mit indigenen Gemeinschaften im peruanischen Amazonasgebiet. Illegaler Goldabbau verschmutzt dort das Wasser der Flüsse mit Blei und Quecksilber, doch die Interessen der Indigenen würden vom Nationalstaat oft ignoriert, sagt Weiler der taz. „Die Kirche muss hier als Bündnispartner den Indigenen beistehen“, fordert sie. Unter anderem gehe es darum, Einkommensmöglichkeiten zu schaffen, die mit dem Ökosystem verträglich sind – dabei spielten Frauen eine zentrale Rolle. „Frauen sind vielfach diejenigen, die die Gemeinschaften in den entlegenen Gebieten begleiten“, sagt Weiler. „Da gibt es keine Priester. Und diese Frauen wünschen sich, dass das, was sie tun, nicht abhängig ist von dem Priester, der ab und an mal vorbeikommt zu einer Eucharistiefeier.“
Schon seit Längerem berät Birgit Weiler Celam, den lateinamerikanischen Bischofsrat. 2024 ernannte Papst Franziskus die Professorin zudem zur Beraterin der Weltbischofsynode. Ihr Ziel in diesem Job: die „toxische Männlichkeit“ in der Kirche zu überwinden.
Birgit Weiler hat Bischof Robert Prevost mehrfach getroffen, in Peru und in Rom. „Er ist ein Mann, der Argumenten gegenüber offen ist“, sagt die Ordensfrau, „und er ist ein Mann, der auch die stärkere Rolle von Frauen in der katholischen Kirche wünscht.“
In Südamerika sei das logische Folge aus der Praxis. Prevost habe das als Bischof der peruanischen Diözese Chiclayo schnell erkannt. „Er hat sehr darauf gedrängt, Frauen viel stärker mit einzubinden in Prozesse des Beratens und des Entscheidens in unserer Kirche.“ Frauen, die in kirchlichen Kommissionen Verantwortung übernommen hätten, etwa für Geflüchtete aus Venezuela, habe Prevost den Rücken gestärkt, „wenn es gegenüber Priestern nicht einfach war, die immer noch meinen, dass Frauen eigentlich in der zweiten oder dritten Reihe zu stehen hätten“.
Im Vatikanstaat hatte Papst Franziskus 2024 eine Regierungschefin ernannt und drei Frauen in das Gremium geholt, das über Bischofsernennungen entscheidet. Weiler sagt, Kardinal Prevost habe ihr gegenüber betont, wie bereichernd er diese Schritte wahrgenommen habe. „Und es ist klar, dass er das auch für andere Bereiche wünscht.“ Doch Verwaltungsämter sind das eine, Weiheämter etwas anderes. 2023 hatte Kardinal Prevost gesagt: „Die Klerikalisierung von Frauen wird die bestehenden Probleme der Kirche nicht lösen.“
Vorwürfe gegen Leo
Zu diesen Problemen gehört sexualisierte Gewalt. Und da gibt es Vertuschungsvorwürfe gegen Prevost selbst. Ein Fall betrifft Prevosts Arbeit als Leiter des Augustinerordens in Chicago, drei Fälle seiner Zeit als Bischof im Norden Perus.
Birgit Weiler hält letztere Vorwürfe für eine Diffamierungskampagne der rechtskatholischen Splittergruppe Sodalicio. Renommierte Journalist:innen in Peru sehen das ähnlich. „Er hat als Bischof die notwendigen Dokumente nach Rom geschickt, er respektiert Prozesse“, sagt Weiler. Außerdem habe sich Prevost in der peruanischen Bischofskonferenz dafür eingesetzt, dass eine Meldestelle für Betroffene sexualisierter Gewalt eingerichtet wird. 2020 lud Bischof Prevost Hans Zollner nach Peru ein, um die Bischöfe in der Prävention gegen sexualisierte Gewalt zu schulen. Der Psychologe und Jesuit leitet in Rom das Safeguarding-Institut IADC und gilt als Kapazität auf dem Gebiet. Auch Zollner vermutet Sodalicio hinter den Vorwürfen. Prevost habe im Vatikan dazu beigetragen, dass die Gruppe, in der es viele Fälle sexualisierter Gewalt gab, 2024 aufgelöst wurde.
Hans Zollner erwartet vom neuen Papst jetzt die weltweite Durchsetzung der Präventions-standards, die 2019 für die katholische Kirche festgeschrieben wurden. Eine erste Entscheidung betreffe die Päpstliche Kommission für den Schutz von Minderjährigen, an der Zollner Intransparenz kritisiert. „Da ist zu erwarten, dass sich da jetzt strukturell und inhaltlich etwas tut und klärt. Auch personell.“ Soll heißen: Der umstrittene Kommissionspräsident Kardinal Seán Patrick O’Malley, Ex-Erzbischof von Boston, soll gehen. Vielleicht folgt ihm ja tatsächlich eine Frau auf dem Posten.
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