Was fehlt ...: ... Recherche ohne Wikipedia
Alle kopieren bei Wikipedia. Und einige lassen sich dabei erwischen. Zum 15. Geburtstag hier drei besonders schöne Beispiele:
2009 nannte Spiegel Online in einem Artikel über den neuen Wirtschaftsminister Guttenberg die zehn Vornamen des Freiherrn von und zu: Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jakob Philipp Franz Joseph Sylvester. Und einen elften: Wilhelm nämlich. Der stimmt so nicht, stand aber auf Guttenbergs Wikipedia-Seite, die kurz zuvor Fälschern verändert wurde. Das Online-Magazin löschte, zeigte in einer späteren Erklärung aber nur wenig Reue: „Übrigens: Nahezu alle Medien saßen am Montag dem Wilhelm-Fälscher auf.“ Für den Medienjournalisten Stefan Niggemeier kam das damals einer journalistischen „Bankrotterklärung“ gleich.
2010 erschien „Karte und Gebiet“ – ein Roman von Michel Houellebecq. An drei Stellen soll der französische Schriftsteller bei Wikipedia geklaut haben. Für die Kritik gar kein Problem: Die FAZ lobte etwa den durchgängigen Stil, denn Houellebecq schreibe schließlich selbst so schludrig und nachlässig wie die Wikipedia-Autoren. Sauer war hingegen der Verlag und erklärte: „Michel Houellebecq verwendet offizielle Internetseiten als literarisches Rohmaterial, die er überarbeitet und manchmal in seinen Romanen verwertet. Das ist in keinerlei Weise ein Plagiat“. Houellebecq selbst waren die Vorwürfe übrigens ziemlich egal – so wie ihm fast alles egal ist.
2012 ernannte Papst Benedikt XVI. seine 22 neuen Kardinäle. Viel Arbeit für die PR-Abteilung des Heiligen Stuhls, denn jeder neue Amtsinhaber bekommt eine Kurzvita auf der Vatikan-Homepage. Das Papstarchiv ist nun mal groß, Recherche mühsam, copy-pasten wohl keine Sünde – und die einfache Lösung nur einen Klick entfernt: auf it.wikipedia.org. Ohne Nachweis wurden teils kuriose Inhalte übernommen. Dem Blogger und Vatikan-Spezialisten Sandro Magister fiel auf, dass etwa durchweg davon die Rede war, dass die Kardinäle „katholisch“ seien – was wenig überraschend ist.
(Quellen: Spiegel Online, Der Westen, Hamburger Abendblatt, Der Standard, Juiced, Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Deutschlandradio, Pro-Medienmagazin, Zeit, taz/chs)
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