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Was ein slowakisches "Nein" bedeutetZur Not geht es auch ohne Bratislava

Das Abstimmungsergebnis der Slowakei zum Euro-Rettungsschirm ist ungewiss, trotz des Drucks der EU-Staaten. Aber auch bei einem "Nein" gibt es zwei mögliche Lösungsszenarien.

Mit hypnotisierendem Blick: Die slowakische Präsidentin Iveta Radicova. Bild: reuters

BRÜSSEL taz | Bisher war die Frage tabu. Was passiert, wenn die Slowaken gegen den erweiterten Euro-Rettungsschirm EFSF stimmen, wollte sich niemand in Brüssel ausmalen. Der Druck aus Deutschland, Frankreich und der restlichen Eurozone werde schon ausreichen, um auch die Slowaken zur Räson zu bringen, hofften die EU-Politiker. Da sie als letzte der 17 Euro-Staaten abstimmen, laste auf ihnen auch eine ganz besondere Verantwortung, hieß es.

Doch nun, da der Ausgang der Entscheidung in Bratislava ungewiss ist, wird hektisch über einen "Plan B" nachgedacht. Bei einem "Nein" könnte man der Slowakei mit Konsequenzen drohen und sie ein zweites Mal abstimmen lassen, lautet ein Szenario. Mit Irland war man ähnlich verfahren, nachdem das Land den EU-Vertrag von Lissabon abgelehnt hatte.

Eine andere Lösung sieht vor, einfach ohne die Slowaken weiterzumachen und den EFSF auch so zu erweitern. Auf die Kredite aus Bratislava, die weniger als ein Prozent des Volumens des Rettungsschirms ausmachen, könne man zur Not verzichten, heißt es in Brüsseler EU-Kreisen. Da der Schirm auf Absprachen zwischen den Euro-Ländern beruht und nicht auf den üblichen EU-Verfahren, könnte man die Slowakei kurzerhand aus dem dazugehörigen Rechtstext streichen. Statt der Slowaken könnten andere Länder den EFSF bedienen; angesichts der geringen Summe wäre dies vermutlich ohne erneute Abstimmungen in den einzelnen Staaten möglich.

Allerdings birgt diese Variante ein erhebliches Risiko. Sie würde den bisher verschworenen Euro-Klub aufbrechen, was zu neuen Erschütterungen an den Märkten führen könnte. Außerdem könnte sie sich zum Präzedenzfall entwickeln - zum Beispiel für Finnland, das seit langem mit der Euro-Rettung hadert. Beim nächsten Streit könnten dann auch die Finnen ausscheren - so dass der Euro-Klub zur Schrumpfgemeinschaft würde.

Hoffen auf den großen Wurf

So oder so würde ein "Nein" aus Bratislava die Hoffnung zerstören, dass die Eurozone doch noch eine umfassende und nachhaltige Lösung der Schuldenkrise fnden könnte. Seit dem Treffen von Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Staatschef Sarkozy am Sonntag und der Verschiebung des EU-Gipfels hofft man in Brüssel, dass nun endlich ein "großer Wurf" gelingen könnte. Schließlich hatte Sarkozy angekündigt, bis zum nächsten G-20-Treffen Anfang November in Cannes werde die Euro-Krise gelöst.

Ohne den erweiterten EFSF kann die Stabilisierung allerdings nicht gelingen. Aus dem Rettungsschirm sollen nicht nur kriselnde Staaten wie Italien oder Spanien, sondern auch wackelnde Banken gestützt werden. Damit dies gelingt, soll das Kreditvolumen von 440 Mrd. Euro über einen "Finanzhebel" massiv ausgeweitet werden. Schert Bratislava aus, wäre das ein massiver Rückschlag, der erneut grundsätzliche Zweifel an der Handlungsfähigkeit der Eurozone wecken würde.

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12 Kommentare

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  • C
    Christin

    Tja, die Demokratie wird ganz offen zu Grabe getragen. Welcome back Diktatur! Und die Völker schauen mit offenen Augen zu, wie ihnen nach und nach wieder alle Freiheiten entzogen werden. Offenbar müssen wir alle erst wieder am Hungertuch nagen, um unsere Rechte einzufordern. Immer mehr innerdeutsche Angelegenheiten werden durch EU-Richtlinien geklärt - das kann nicht richtig sein.

    Großer Respekt vor der Slowkei! Dies ist der richtige Weg. Vielleicht sollte mal eine ganz neue, mutigere Partei Deutschland regieren: nicht die ewig gleichen Leute aus SPD und CDU, die letztlich eh nur immer das Gleiche tun.

  • A
    Anonymous

    WUT !!!

     

    Sind wir eigentlich alle nur einfach dumm, daß wir und von Banken und RatingAgenturen und Ihren Lakaien-Regierungen zur Schlachtbank führen lassen?

     

    Ich bin zwar nur ein ganz kleines Licht, schufte seit zwanzig Jahren in der unteren Einkommensklasse (da wo über Mindesgehälter dikutiert wird, die dann immer noch nicht für ein anständiges Leben reichen)täglich 14h.

    Nur um dann am Ende des Monats, nach Abzug der Kosten, häufig bis zum Monatsanfang immer noch vor einem leeren Kühlschrank zu sitzen. WEN KÜMMERT DAS DENN?

     

    Aber um einer Clique von ... in Nadelstreifen am Leben zu halten, hunger ich in Zukunft gerne öfter, oder wie? Wenns wenigstens nur für die armen Griechen wäre, die von den Herren nur einfach genauso verarscht werden wie wir alle.

     

    PASST AUF IHR BANKER, DIE MENSCHHEIT WIRD LANGSAM WACH. IRGENDWANN KOMMT DER TAG, AN DEM DIE MENSCHEN NICHT MEHR EUCH ENTSCHEIDEN LASSEN WAS GEHT, UND WAS NICHT !!!

     

    Wir sind die 99% !!! sag ich da nur.

  • E
    Eselstreiber

    auch bei einem nein der slowakei gilt der beschluss,

    da nur 90% der EU-Staaten zustimmen müssen.

  • A
    Andrea

    Europapolitik auf den Trümmern von Regierungen, wie die der Slowakei. Das stinkt!

  • T
    Thanthalas

    An den "Lösungen" kann man erkennen wie wenig die EU doch demokratisch ist.

  • UB
    Ulrich Bogun

    Ja, das ist noch echte, gelebte Demokratie:

    Wer falsch abstimmt, wird bedroht und muss noch einmal abstimmen. Es ist seit Jahren klar, dass der Euro und unser durch und durch korruptes (und ohnehin fehlerhaftes) Finanz- und Wirtschaftssystem nicht gerettet werden können, aber hey: Schmeißen wir doch noch ein paar Milliarden raus, damit nach einem Neustart inkl. Abwertung und Währungskonvertierung die Töpfe von "systemrelevanten" Banken und Konzernen schon mal genügend gefüllt sind.

     

    In diesem Zusammenhang sei mir der Hinweis auf den immer noch nicht gestrichenen Artikel 20 Grundgesetz erlaubt:

     

    (1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

     

    (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

     

    (3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

     

    (4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

  • A
    andreas

    Die EU wird sich durch die Slowakei vom brechen eigener Gesdetze nicht abbringen lassen. Zur Not wird eben so lange Druck auf dieses kleine Land ausgeübt bis "richtig" abgestimmt wird.

    Armes Europa.

    Wir die Menschen dienen nur noch den Banken !!!

    Warum ausgrechnet die TAZ dieses Spiel medial unterstützt wird mir immer ein Rätsel bleiben.

     

    MfG

  • E
    EuroTanic

    Wie offen in Presse und Politik mittlerweile offen über Gesetzesbruch und Verfassungsbruch gesprochen wird ist schon erstaunlich. Die Bailout sind illegal, ein Bailout ohne Zustimmung aller umsomehr. Was ist los in diesem Land? Schaffen wir doch alle Gesetze ab und leben offen nach dem Gesetz des Stärkeren. Das wäre wenigsten ehrlich.

  • H
    hopfen

    Ich kann die Slowakei voll verstehen.

     

    Bei ihren Beitrittverhandlungen haben die Staaten des ehemaligen Ostblocks strikte Auflagen bekommen und mussten eisern Reformieren um in die EU zu kommen. Dies wurde streng kontrolliert. Bei den alten EG-Staaten wurde darauf verzichtet und ihnen wurde der Euro im Vergleich dazu fast geschenkt. Dass diese Staaten nun nicht dafür Haften wollen, dass andere ihre Reformen aufgeweicht bzw. gar nicht durchgeführt haben kann ich ziemlich gut verstehen.

  • A
    aurorua

    Der Druck aus Deutschland, Frankreich und der restlichen Eurozone werde schon ausreichen, um auch die Slowaken zur Räson zu bringen...

    Dieser Satz sagt alles über das Funktionieren von Demokratie in Europa einerseits und den Nationalstaaten andererseits.

    Notfalls kann man die Fresse des Demokraten nicht mehr sehen und die Verfassung ist Scheisse...

  • K
    kati

    Wenn das Ganze nicht so ernst für die deutschen Bürger wäre, könnte man über dieses EU-Theater lachen.

    Abstimmen, bis das Ergebnis passt, ganz demokratisch eben. Oder die Walze bewegt sich eben ohne Slowenien; was wieder einmal zeigt, was €/EU-Festlegungen wert sind: nicht das Wort, das gesprochen wird. Aber keine Bange, €-Fans: die Zustmmung kommt. Spätestens wenn die slowenische Regierung zurücktritt, klappts für euch (so der DLF).

    Wie auch immer: was falsch ist wird nicht deshalb richtig, weil alle "Heil" schreien, schon vergessen?

  • F
    Fordler

    Bei einem "Nein" könnte man der Slowakei mit Konsequenzen drohen und sie ein zweites Mal abstimmen lassen, lautet ein Szenario. Mit Irland war man ähnlich verfahren, nachdem das Land den EU-Vertrag von Lissabon abgelehnt hatte.

    Soviel zur Demokratie in der EU. Einstimmigkeit wird verlangt. Sollte jemand nicht mitmachen wird unverhohlen gedroht. Nötigung, Erpressung?