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Was die Natur wert istRiffe erwirtschaften 170 Milliarden

Forscher rechneten fürs Umweltministerium nach, wieviel die Natur im Jahr "erwirtschaftet". Allein bei Riffen kommen sie auf 170 Milliarden Dollar. Gabriel will Nutzer zur Kasse bitten.

Nicht bloß nett zum Schnorcheln: Great Barrier Riff vor Australiens Küste. Bild: ap

Für Taucher sind sie lediglich wunderschöne Reiseziele. Für eine halbe Milliarde Menschen auf der Welt haben Korallenriffe noch eine wichtigere Bedeutung: Ihr Leben hängt unmittelbar von ihnen ab, weil die Riffe als natürliche Hochwasserbarrieren dienen, weil der Tauchtourismus zum Lebensunterhalt beiträgt und weil die dort lebenden Tiere ihre Nahrungsgrundlage darstellen. Mehr als ein Viertel aller Fischarten sind auf die Riffe als Lebensraum angewiesen.

Der Nutzen, den Menschen aus den Korallenriffen ziehen, wurde nun erstmals monetär berechnet - mit beeindruckendem Ergebnis: Rund 170 Milliarden US-Dollar sind die Ökosystemleistungen der Riffe jedes Jahr wert, sagte der indische Ökonom Pavan Sukhdev. Er untersucht im Auftrag von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sowie der EU-Komission und der Vereinten Nationen den ökonomischen Nutzen von Ökosystemen und biologischer Vielfalt. Am Mittwoch stellte er in Berlin einen Zwischenbericht vor. Den Gesamtwert des Nutzens der Ökosysteme schätzt Sukhdev auf mehrere Billionen Dollar.

Als Konsequenz aus seinen Berechnungen fordert der Ökonom verstärkte Investionen in den Erhalt der Naturräume. Mit Investitionen in Höhe von 45 Milliarden Dollar könnten naturbezogene Leistungen im Wert von 5.000 Milliarden Dollar jährlich gesichert werden.

Im Fall der Korallenriffe könnte es dafür allerdings schon zu spät sein. Durch steigende Wassertemperaturen und die zunehmende Versauerung der Meere - beides durch den Klimawandel bedingt - sind sie akut bedroht. "Die Riffe werden langfristig nicht überleben", sagte Achim Steiner, Direktor der UN-Umweltbehörde. Auch das in den internationalen Klimaverhandlungen angestrebte Ziel, die CO2-Konzentration auf einem Niveau von 450 ppm zu stabilisieren, werde dieses wichtige Ökosystem voraussichtlich nicht retten können. Dramatisch sei die Situation auch für die weltweiten Wälder, die Kohlendioxid aufnehmen und somit einen wichtigen Beitrag zur Abschwächung des Klimawandels leisten. Um sie zu erhalten, müsste Waldschutz in den internationalen Emissionshandel einbezogen werden.

Gabriel begrüßte den Bericht als Beweis, dass Naturschutz sich für die Gesellschaft lohne. Er sei auch ein "kostengünstiges und wirksames Mittel, um die globalen Klimaveränderungen und ihre Folgen zu bremsen". Nun gehe es darum, Mechanismen zu entwickeln, dies marktwirtschaftlich umzusetzen. "Die Übernutzung der Umwelt muss einen Preis bekommen."

Am Beispiel von heimischen Wäldern und Mooren möchte Gabriel in der nächsten Legislaturperiode ein finanzielles Ausgleichssystem erproben. Wer ein Moor trockenlegt, etwa für landwirtschaftliche Nutzung, müsste dann für das dabei freigesetzte Kohlendioxid Geld bezahlen - ähnlich wie die Industrie, die für ihre Emissionen Zertifikate kaufen muss. Von den Einnahmen könnten diejenigen belohnt werden, die Moore schützen. Beim Wald wären entsprechend Zahlungen für Rodungen und Gutschriften für den Erhalt denkbar.

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14 Kommentare

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  • D
    Daniel

    @vic: +1

     

    Es geht einfach um den Versuch, die tatsächlichen Kosten des Naturverbrauchs zu berechnen, inklusive dessen, was wir zukünftigen Generationen aufbürden. Täten wir das, wäre Erdöl sündhaft teuer, Atomstrom unbezahlbar, ebenso Tropenholz (bzw. Soja/Palmöl/Rindfleisch), und das nicht wegen des CO2, sondern wegen des potentiell medizinischen Nutzens der Arten, die wir ausrotten.

     

    Gegenüber dieser Zielsetzung ist Emissionshandel ein Witz, zumal er noch gar nicht greift.

  • S
    Simon

    Natürlich kann man über das Für und Wider von solchen Berechnungen diskutieren... Tatsache ist aber doch, dass viiiiiele Unternehmen Gewinn einfahren, indem sie Kosten externalisieren - nicht selten in die Umwelt. Wenn diese Unternehmen die entsprechenden Kosten selber tragen müssten, wäre auf einmal -tata- Bio günstiger als konventionell, Erneuerbare günstiger als Kohle- und Atomstrom.

    Natürlich sind die tatsächlichen Kosten meist sehr schwer zu errechnen, weil der angerichtete Schaden nicht exakt vorhergesehen kann. Aber meiner Meinung nach sind solche Berechnungen ein Schritt in die richtige Richtung - die Wirtschaft richtet sich schließlich nicht nach irgendwelchen hehren Idealen sondern -wer hätte das gedacht- nach dem schnöden Mammon.

    Also bitte zweimal nachdenken, bevor man solche (ich gebe es zu - sehr unromantischen ;)) Berechnungen kritisiert.

  • AD
    Axel Dörken

    Dass innerhalb von Konzernen, wie Nestlé, schon lange diskutiert und auch öffentlich gemacht wird, dass Wasser einen monetären Wert haben muss.

     

    Was mich an dieser Denke, bezahlen sollen jene, die es nutzen stört, ist, dass ich der Meinung bin, dass eher die zahlen sollten, die nicht zur direkt gesundheitsförderlichen Beschaffenheit der Natur beitragen.

     

    Mit anderen Worten: Zahlen sollen nicht die, welche die Natur achten und genießen, sondern jene, die sie zerstören. Zahlen sollten Konzerne wie Nestlé, Monsanto und Co. Und wie die zahlen sollten!

     

    Aber da ist ja noch der Wahn, dass das Wirtschaften, und mit ihm im Zentralen das Erwirtschaften von monetären Überschüssen, wichtiger ist, als die Gesunderhaltung und Gesundung von Mensch und Natur...

     

    Wieso auch das Wirtschaften vom religiösen Sockel stoßen und die Natur auf ihn setzen?

     

    Am Ende bekämen wir noch das, wonach wir alle sehnen: Anerkennung, Liebe, das Feststellen von Gemeinsamkeiten. Und zwar sowohl außerhalb von – mehrheitlich noch immer begrenzteren und kürzer anhaltenden? - kleinen Kreis der Zweisamkeit oder der Familie, als auch innerhalb der Gleichen.

     

    Mensch achte darauf, dass du immer mehr Hirn und Herz nutzt, damit es nicht weiterhin so aussieht, als ob der Herr Hirn hier- und Herz dorthin gibt. Wir alle haben das gleiche Potential. Allerdings bedarf es bei dem Einen mehr und beim Anderen weniger Kraft und Ausdauer es freizusetzen.

     

    Liebe Grüße

    Axel Dörken

  • H
    Hörst

    Pupsgebühr für Vegetarier ! Und ich hätte da was für sie, Herr Gabriel , was nach ein paar Gutachten bestimmt als Schokolade durchgeht!

  • M
    MartinB

    Absurd!

     

    Bitte rechnen Sie mir den Wert meiner Lebensgrundlagen aus!

  • P
    PerditaDolorosa

    Minister sollten eigentlich gefeuert werden, wenn Sie Dummheiten über ihren Bereich sagen und wissenschaftliche Erkenntnisse willkürlich ignorieren, wenn ihnen das Ergebniss nicht in den Kram passt oder nach Ihrem Geschmack, bis zur Perversion, auslegen. Da brabbelt der Typ was vollkommen Blödsinniges über Klimaschutz (als ob er die Eiszeit aufhalten könnte)und will nur wieder seine Kassen füllen.

  • P
    Peter

    wenn mein(unser) lebensraum nur im finanzwert erfasst wird so kann auf diesen ja auch verzichtet werden: ohne bäume und grundwasser haben wir zwar stark verschuldet, das lässt sich doch sicher wieder erwirtschaften...

     

    es so eggeelik - und noch eggeeliker ist dass es solche pervertierung von leben braucht um menschen, wie von der fdp, klar zu machen dass es durch aus nützlich ist die erde als lebensraum zuerhalten.

  • L
    Leser

    Schon erschreckend in was für einer Welt wir leben, in der man Bankern, Betriebswirtschaftlern und Politikern erst den Wert der Natur in Euro aufrechnen muss, damit sie den Wert der Natur schätzen lernen.

  • V
    vic

    Dachte ich mir, dass hier niemand versteht dass Naturzerstörung für den der´s tut sehr sehr teuer sein muss. Für vieles, wie z.B. Riffe kommt eh jede Hilfe zu spät.

    Aber macht euch ruhig lustig, auch ihr werdet das noch kapieren.

  • 1
    1234

    sobald etwas einen preis bekommt, scheint es als könnte man es alles kaufen...es wird zum angebot.

    ist das denn nötig um die umwelt in das system zu integrieren..?

  • H
    Horst

    Spätestens seit "Sharkwater", "Home" oder der BBC Dokumentation "Unsere Erde" sollte doch ohnehin jedem klar sein, dass die Riffe eine elemantare Bedeutung für die GesamtUmwelt haben. Das grösste Problem ist aber wohl die industrielle Fischerei.

     

    Ich habe selbst erlebt, wie chinesische Fischfabriken direkt (ca. 1,5km) vor der Küste Mozambiques über die Riffe gefahren sind. Als Taucherbasen daraufhin ihre Boote "ausgeschickt" haben, wurde sie mit scharfer Munition beschossen. Wie man mir berichtete, scheint dies vor den Küsten Afrikas gang und gebe zu sein....

  • D
    DerJo

    "Am Beispiel von heimischen Wäldern und Mooren möchte Gabriel in der nächsten Legislaturperiode ein finanzielles Ausgleichssystem erproben. Wer ein Moor trockenlegt, etwa für landwirtschaftliche Nutzung, müsste dann für das dabei freigesetzte Kohlendioxid Geld bezahlen - ähnlich wie die Industrie, die für ihre Emissionen Zertifikate kaufen muss."

     

    Herr Gabriel sollte so langsam aufpassen was er sagt. In Italien soll inzwischen schon die geistige Zurechnungsfähigkeit Berlusconis ärzlich überprüft werden.

  • M
    Majo

    Was kostet denn dann ein Waldspaziergang nach der Bundestagswahl ? Und was kostet einmal schwimmen in einem See ?

  • M
    Martens

    Geile Studie!

    Als nächstes berechne ich den Wert von Luft und komme auf das Bruttosozialprodukt der Welt!

    Denn ohne Luft könnte ja keiner arbeiten.