■ Was aus dem studentischen Masseneintritt in die Berliner FDP wurde: Luftige Träume, harte Landung
Studierende treten massenhaft in eine Partei ein. Ja, sie übernehmen eine dieser entleerten organisatorischen Hüllen politischer Willensbildung, um eigene Politik zu machen. Dieses „Projekt Absolute Mehrheit“, in dem zweieinhalbtausend Berliner StudentInnen die Hauptstadt-FDP kapern wollten, spornte die Phantasie zu naiven Idealszenarien an.
Eine Frischzellenkur für die parlamentarische Demokratie sei das, meinten die Väter des Gedankens. Parteien seien überaltert. Und auch nicht groß, gerade die Liberalen. Also rein in die Partei. Schon erfülle sich der Traum eines jeden Demokraten: das Mandat, die Mitsprache.
Diese Seifenblase zerplatzte schnell an der bürokratischen Parteiwirklichkeit. Denn vor der innerparteilichen Demokratie stehen abschreckende Prüfprozeduren, ausgebuffte Geschäftsordnungstricksereien kommen hinzu. Außer bei den Grünen und Teilen der SPD ist es um die Willensbildung von unten nach oben schlecht bestellt. Und die FDP ist ohnehin eine reine Personalrekrutierungsmaschine. Das Ergebnis des FDP-Beitritts nach Art der Lemminge hat das erneut offenbart: Enthusiastische Neumitglieder wurden schnell ihrer guten Absichten beraubt – sie wandten sich ab. Und schon trompetet auch in der ersten Reihe der Neu-FDPler der Schnellsprech inhaltsfrei und mediengerecht. Eben jener Typus des Parteimenschen also, der den Nichtparteigänger so grundsätzlich abschreckt.
Aber auch die gedachte Radikalvariante, das Kapern der FDP, war weltfremd. Spätestens als das Projekt Absolute Mehrheit die Öffentlichkeit als PAM zu erotisieren versuchte, dem Vornamen des Busenwunders Pamela Anderson, war klar: Denen geht's um alles mögliche, aber nicht darum, die Parlamente mit Ideen zur verkommenen Bildungspolitik aufzumischen. Nein, bei der Aktion ist nicht einmal der kleinste anzunehmende Unfall eingetreten: daß die überflüssige FDP womöglich durch ein paar verirrte Studis gerettet würde. Statt des erhofften Blutstoßes gab es eine kleine Infusion, den der abstoßungsbereite Parteikörper nun erst mal gründlich verwäscht.
PAM wird als Fußnote nicht in die Geschichte, sondern allenfalls in die Mediengeschichte eingehen. Die Aktion ähnelt somit dem letzten Studentenstreik, der ebenfalls nach dem Love-Parade-Phänomen funktionierte: Es hat eine Menge Spaß gemacht, vor allem Zuschauer und Medien feierten die Parteipiraten. Und irgendwer findet sich immer, der das Ganze zur seriösen politischen Aktion adelt. Am Ende wird der Müll weggeräumt – Träume, Schäume, Beitrittsformulare. Christian Füller
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen