■ Warum klaut ein Banker Millionen und verschenkt sie dann?: Der gute Mensch von Memmingen
Es soll reine Nächstenliebe gewesen sein, die einen 50jährigen Banker aus der Nähe von Memmingen dazu veranlaßte, seine Bank über Jahre hinweg um viele Millionen Mark zu betrügen. Armen Menschen wollte Lothar D. aus einer kleinen württembergischen Gemeinde unweit von Memmingen helfen. Das zumindest gab er immer wieder bei den Verhören in der monatelangen Untersuchungshaft an. Daß vor allem eine italienische Familie von D. gleich mit weit über drei Millionen Mark unterstützt wurde und folglich nicht mehr ganz bedürftig sein kann, bleibt einer der vielen Widersprüche in einem äußerst kuriosen Bankenkrimi.
Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Augsburg hat jetzt gegen Lothar D. Anklage erhoben, und zwar wegen Untreue in 57 Fällen. „Strafrechtlich kann der Beschuldigte für 3,5 Millionen Mark zur Verantwortung gezogen werden“, erklärt dazu der Chef der Augsburger Staatsanwaltschaft, Jörg Hillinger. Vieles sei bereits verjährt. So auch ein fingierter Banküberfall auf die Ein-Mann-Filiale am Memminger Schlachthof im Jahre 1987, die D. jahrelang leitete. Niemand ahnte damals, daß der angesehene Filialleiter, der in seiner württembergischen Heimatgemeinde mit überwältigender Mehrheit in den Pfarrgemeinderat gewählt wurde, etwas damit zu tun haben könnte. Doch inzwischen hat D. den fingierten Überfall gestanden.
Der tatsächliche Schaden durch ausgeklügelte Falschbuchungen mit Schlachthofkonten liegt bei über 4,5 Millionen Mark. Bei der Hypo-Zentrale in München will man von schlampiger Revision und laschen Kontrollen dennoch nichts wissen. Die Sache sei der Bank ja selbst aufgefallen, freilich erst bei der Schließung der Filiale und der Eingliederung in die Memminger Hauptstelle. „Unser einstiger Filialleiter war einer der wenigen Fachleute, der hat alle Tricks mit diesen Konten gekannt“, erklärte eine Hypo-Sprecherin. Es habe natürlich Routinekontrollen gegeben, aber wie sollte man einem Täter auf die Schliche kommen, der „so extrem vertrauenswürdig war“? Wenn die Bank es ihrem Angestellten zu leicht gemacht haben sollte, wird sich das sicher strafmildernd für ihn auswirken.
Noch spannender freilich als die Frage möglicherweise fehlender oder zu laxer Kontrollen ist die nach dem Motiv. Warum hat D. über drei Millionen Mark dem mitangeklagten italienischen Ehepaar T. geschenkt, angeblich ohne eine Gegenleistung zu erhalten? Immer wieder wurde er befragt, ob er möglicherweise erpreßt wurde. Doch D. blieb bei seiner Wohltätigkeits-Version. Der kinderlose Filialleiter hatte mehrfach zu erkennen gegeben, daß er die Kinder der italienischen Familie besonders sympathisch finde, aber daß er deshalb nahezu die gesamte Beute dieser Familie geschenkt haben will, gibt nach wie vor Rätsel auf.
Der so reichlich beschenkte 53jährige Italiener und seine 45jährige Ehefrau betrieben bis vor kurzem in Memmingen einen Nobelmodeladen. Doch daß die Millionen wirklich dort „versickert“ sind, mag niemand so recht glauben. Fest steht, daß sich die Familie T. in einem Memminger Stadtteil ein extrem nobles Wohnhaus gebaut hat. Doch der Nachweis, daß die veruntreuten Bankgelder dorthin geflossen sind, läßt sich bislang nicht führen. Es gebe auch keine Hinweise, daß die hartnäckigen Gerüchte auf eine Mafia-Verstrickung zuträfen, erklärt Staatsanwalt Hillinger. Jedenfalls sind die Eheleute T. wegen Hehlerei mitangeklagt. Hehlerei deshalb, weil sie nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft wußten, woher das Geld stammt. Die Hauptverhandlung soll im Herbst in Augsburg stattfinden. Klaus Wittmann
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