■ Warum in der Fußball-Bundesliga momentan fast alles schiefgeht: Mäuseköttel und Billigbier
Was haben der Mittelfeldspieler Mario Basler und Kara Ben Nemsis Pferd Rih gemeinsam? Auf den ersten Blick nichts. Aber wenn man ihnen ihren Namen ins Ohr ruft, laufen beide bis zum Umfallen. Nur trinkt und raucht Rih weniger und fliegt deshalb wie der Wind dahin, während „Super-Mario“ nur ein „Psychopath“ (Andreas Möller) und „schwach wie eine Flasche leer“ (Giovanni Trapattoni) ist.
In der Bundesliga und speziell beim FC Bayern München läuft momentan vieles schief. Zum ersten Mal seit 1991 hat der Noch- Meister drei Spiele hintereinander verloren, der erneute Titelgewinn ist in weite Ferne gerückt, in München herrscht „trübe Ratlosigkeit“ (taz vom 10.3. 98). Eine Ratlosigkeit, die mit einem einzigen Blick aufs Spielfeld überwunden werden könnte, denn neuerdings tritt Bayern München mit dem Logo „Astra“ an, so daß selbst der „ran“-Kommentator Werner Hansch sich bei der Live-Übertragung des Spiels gegen Schalke 04 am vergangenen Sonntag verwundert die Augen rieb und gleich dreimal den neuen Schriftzug erwähnte, weil er wohl ahnte, hier werde etwas fortgesetzt, das seit Saisonbeginn unrühmliche Folgen hat: das grauenhafte, unappetitliche und trevirablöde Design der meisten Trikots, die allein für den Mißerfolg mancher Vereine verantwortlich sind.
Alles begann mit Borussia Mönchengladbach. Der Sponsor Nike drückte der Mannschaft ohne Rücksicht auf die traditionell grünweißschwarzen Vereinsfarben ein angeblich silbernes Trikot auf, weil Silber in den USA „die Farbe des Erfolgs“ sei. Spätestens beim ersten Regenspiel auf dem Bökelberg nahmen die Jerseys eine zwischen Mausköttelgrau und Eiterfarben changierende Tönung an, was den Gladbachern einen Durchmarsch bis auf den letzten Ligaplatz bescherte, der erst gestoppt werden konnte, nachdem die Borussia am vergangenen Samstag kräftiges Schwarz anlegte und Stefan Effenberg daraufhin eine Weltklasseleistung zeigte.
Ganz ähnlich erging es dem VfL Bochum, der im Ruhrstadion seit Jahren unter dem Image der grauen Maus leidet und vom zwielichtigen Sponsor Faber-Lotto verleitet wurde, ein rot-orange-gelb- grün-blaues Trikot anzuschaffen, das jeder Ostblockmannschaft der achtziger Jahre Freude gemacht hätte und Bochum zum Bulgarien des Westens werden ließ. Statt wie im Vorjahr um Uefa-Cup-Plätze mitzuspielen, segelten die knallfarbenen Kanarienvögel munter in den Keller der Liga und übernahmen zeitweise die rote Laterne.
„Das Auge spielt mit“, erklärt der Bremer Sport- und Farbpsychologe Gerrit Winterfeldt, der sich seit langem mit dem Phänomen der Interaktion von Kolorierung und Motivation im Leistungssport beschäftigt und auch Profitvereine berät: „Kaiserslauterns sattes Rot war eine meiner Entwicklungen, und schon ist der Erfolg da. Die roten Teufel stehen an der Tabellenspitze, weil sie sich der farblichen Identität und Verantwortung bewußt sind.“ Natürlich spiele auch der Trainer eine Rolle, gibt Winterfeldt zu, „aber heute muß man mit modernen, verhaltenspsychologischen Kriterien Leistung im Sport steuern“. Und dazu gehöre schließlich die Farbe und vor allem der Sponsorenname auf dem Trikot: „Die Bayern verlieren, seit sie Weiß und vor allem den Namen ,Astra‘ auf ihrer Brust tragen.“
Heftig widerspricht Winterfeldt der Werbeabteilung von Opel, die in einer Informationsbroschüre das „Astra-Dreß“ als „Kommunikationsmaßnahme“ bezeichnet. „Astra – die haben wahrscheinlich gedacht, das klingt wie ,nach den Sternen greifen‘, dabei denkt man doch eher an das Hamburger Billigbier.“ Und solch ein weißer, dünner Stoff wirke sich schließlich negativ auf einen Rennproleten wie Mario Basler aus, der seine kleinen Wohlstandsträume brauche, von BMW bis Flasche leer (Hefeweizen). „Für einen Astra läuft der nicht weit.“ Na, dann Prost. Michael Ringel
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