■ Warum die Euro-Schwäche nicht von Dauer sein wird: Die Logik der Spekulation
Was beschäftigt die Euro-Europäer neben dem Krieg gegen Jugoslawien am meisten? Nicht die Europawahl, sondern der Kursverfall des Euro. Daß Krieg und Kurs miteinander zu tun haben, kann man in den Verlautbarungen von Bundesbank und Europäischer Zentralbank nachlesen: Wird Europa von einer politischen Krise geschüttelt, bietet sich der Dollar als sicherer Hafen an. Mit der Nachfrage steigt der Dollar-Preis. Und der Euro-Kurs fällt.
In Lehrbüchern der Volkswirtschaftslehre wird die „Kaufkraftparitätentheorie“ zur Erklärung der Wechselkurse bemüht. Danach müßte man mit Euro (bzw. DM oder Franc ) in den USA etwa die gleiche Gütermenge kaufen können wie mit der entsprechenden Summe Dollar zum gegebenen Wechselkurs – und umgekehrt. Was kostet ein Bier? 3 DM hierzulande und 2 Dollar in den USA. Der realistische Wechselkurs wäre also etwa 1,50 DM für den Dollar. Vergleicht man die Preisentwicklung der Waren in Nordamerika und Westeuropa, dann ist der derzeitige Kurs von 1 $ zu 1,04 Euro bzw. 1,86 DM zu hoch. Der Dollar ist über-, der Euro unterbewertet.
Doch auf den internationalen Devisenmärkten geht es weniger um Kaufkraftparitäten als um Zinsdifferenzen, Erwartungen über Börsenkurse und Risikokalkulationen. Täglich werden an den Devisenbörsen 1.300 Milliarden US-Dollar gehandelt. Für den Welthandel und die Finanzierung von realen Investitionen würden weniger als 5 % dieser Summe ausreichen. Mehr als 95 % dienen der Spekulation.
Die Finanzkrisen in Asien, in Rußland oder Lateinamerika haben gezeigt, daß hochbewertete Währungen zur sturzbachähnlichen Abwertung gezwungen werden können – mit desaströsen Wirkungen für die Einkommen der Menschen. Eine solche Finanzkrise wird an den USA und Euroland vorübergehen. Denn beide sind Kernländer der globalen Finanzen. 48 % des Welthandels werden in Dollar, 31 % in den Euro-Währungen abgewickelt.
Mit dem Euro ist die Spekulation zwischen den elf beteiligten Währungen stillgestellt. Doch dies bedeutet nicht, daß es keine anderen Objekte spekulativer Begierde gäbe – im Gegenteil. Die Finanzkrisen in Asien, Lateinamerika und Rußland brachen aus, weil sehr viel kurzfristiges Kapital sehr schnell abgezogen worden ist. Wohin? In ein Land, wo hohe Renditen winken, die Konjunktur „robust“, wie das Modewort lautet, zu sein scheint, das politische Risiko gering und das Kosovo fern ist. Deshalb ist der Dollar so stark.
Doch gute Spekulanten, informiert von den großen Rating agencies wie Moody's oder Standard & Poor, wissen die Zeichen der Zeit zu lesen, und sie werden sich daher auf die momentane Dollar-Stärke nicht dauerhaft verlassen. Seit Mitte 1998 liegen die Zinsen in den USA bei insgesamt fallendem Niveau über dem Zinsniveau in Euroland oder Japan – ein untrügliches Zeichen für eine sich ankündigende Währungsschwäche. Kein Wunder, denn der IWF erwartet in den nächsten fünf Jahren eine Verdoppelung der US-Außenschulden von derzeit etwa 1.500 Milliarden Dollar. Währenddessen dürfte Euroland spiegelbildlich seine externen Guthaben von rund 500 auf 1.000 Mrd. US-$ aufstocken. In Japan ist der Anstieg der Guthaben noch größer. Die Schulden der USA sind u. a. Folge des hohen Defizits der Leistungsbilanz. Es betrug 1998 rund 230 Mrd. und dürfte bald auf etwa 280 bis 300 Mrd. US-$ steigen.
Die USA leben also auf Pump. Das können sie sich erlauben, weil sie, anders als etwa Indonesien, in ihrer eigenen Währung verschuldet sind. Aber sollten sie den Schuldendienst finanzieren, indem sie die Druckerpresse schneller laufen lassen, werden die Spekulanten werden das Weite suchen. Und den Euro finden. Hinzu kommt, daß die US-Wirtschaft eine „bubble-economy“ ist. Wenn diese Seifenblase platzt, so das Kalkül der EZB, muß Europa gerüstet sein. Deshalb der Stabilitätskurs, der unvermindert zu Lasten des Arbeitsmarktes und der sozial Schwachen geht. Wenn die Gewerkschaften dabei weiter mitspielen, dürfte dieser Plan aufgehen.
Freilich ist es eine Illusion, daß mit einem starken Euro die wirtschaftlichen und sozialen Probleme in Euroland einfacher würden – und daß man dann die letzte aller möglichen Währungskrisen hinter sich habe. Denn jener Trillionenbetrag, der das globale Spekulationskarussell zur nächsten Runde antreibt, bleibt. Mal gegen den Euro, mal dafür. Einen „richtigen“ und fixen Kurs wird es nicht geben, solange man die Bildung der Kurse den deregulierten Devisenmärkten überläßt. Elmar Altvater
Der Autor ist Professor für Politik an der FU Berlin
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