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Warum bin i koan Hendl?

■ Der Film Indien ist dann lustig, wenn es um den Tod geht

„In Österreich ist die Landschaft a bisserl üppiger, deshalb gibt–s so viele Mehlspeisen“, meint der Inspektor Fellner in stark bereinigtem Deutsch. „In Indien hingegen essen sie den ganzen Tag Reis. Sitzen herum, lachen, manche verhungern. Das muß eine ganz eigenartige Landschaft sein.“ Kurt Fellner ist ein vom Yuppie-Zeitgeist gestreifter Schnösel und Heinzi Bösel ein kleinbürgerlicher Widerling. Gemeinsam reisen sie in dem Film Indien als Inspektoren des Fremdenverkehrskontrollamts übers Land und entdecken die vielleicht eigenartigste Landschaft, die Seelenlandschaft zweier intoleranter Männer.

Wie es sich für ein zünftiges Road-Movie gehört, steht am Anfang das Auto im Mittelpunkt. Doch der braunrote Ford Taunus läßt wenig vom Mythos des Ausbruchs und Aufbruchs übrig. Dennoch, die Widrigkeiten der Umwelt und der Technik, mit der die beiden Helden ringen, wird kaum lustiger, weil mit weniger Aufwand gedreht, als die zahlreichen Pannenkomödien. Anders die Dialoge. Fellner plappert munter und gut erzogen darauflos. Bösel schweigt bis zu seinem ersten gewichtigen Satz: „Die Kellner sind alle Trottel!“ Fellner schweigt. Es entsteht eine eigentümlich lakonische Haltung zweier, die sich spinnefeind sind. Beide sind so verschieden, daß sie sich nicht über Vegetarismus, sondern allenfalls über die Fernsehbeilage streiten können.

Erst als der Schnösel feststellt, daß ihn seine Freundin betrügt, entsteht eine gemeinsame Basis. Fellner wird zum Bösel, köpft Bierdosen und reißt Zoten. Im Unglück werden also alle Männer gleich. Auch der Proll Bösel zeigt nun seine zarten Seiten, deckt gar sein Trauma auf. So fürchtet er, daß ein Bekannter nach ihm auf die ungespülte, miefende Toilette geht. „Wissens, Fellner, daß sie der erste Mensch sind, seit meiner Mutter, neben dem ich hab' scheißen können“, gesteht er durch die Klotür seine groteske Liebeserklärung, die in der ersten Umarmung endet. Zwei Freunde schauen sich nun inniglich den Sonnenaufgang an, um dann ausgelassen zu indischer Tabla-Musik Veitstänze aufzuführen. Indien wird dabei zur Metapher für die Sehnsucht nach einem besseren Leben, fernab des alljährlichen Pauschalurlaubs und der untreuen Freundin.

Doch an diesem unbeschwerten Punkt kippt die Geschichte ins Traurige und wird erst richtig lustig. Sie reden über Krankheit und Tod, und zwar urkomisch. „Warum bin i a Mensch geworden und koan Hendl?“ geht Fellner die Frage nach der Wiedergeburt von der verschrobenen Seite an. Das geht so weit, daß man am Ende einen Aufkleber sucht mit dem Aufdruck: „Humor ist, sich über den Tod lustig zu machen.“

Volker Marquardt

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