■ Warum Riesters Frühverrentung kaum gegen Arbeitslosigkeit hilft: Nette Idee, schwierige Umsetzung
Klaus Zwickel, Chef der IG Metall, hat einen neuen Gefährten gefunden: Ludolf von Wartenberg. Wohlwollend meint der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, die Sache mit dem Tariffonds, der die volle Rente mit 60 finanzieren soll, sei möglich. Und Arbeitsminister Riester wird nicht müde zu betonen, daß der Fonds ins Bündnis für Arbeit gehöre. Drei Männer, eine Meinung, und bald haben alle einen Anspruch auf frühe Rente? Keine schlechte Perspektive, auf den ersten Blick. Doch obwohl sich die Töne von Arbeitgebern, Politikern und Gewerkschaften angleichen, ist keine gemeinsame Handlungsweise in Sicht.
Die Arbeitgeber finden den Fonds nur dann prima, wenn die Arbeitnehmer die neue Kasse allein auffüllen. Auf eine Beteiligung ihrerseits darf nicht gerechnet werden. Die IG Metall hofft, daß sich in den nächsten fünf Jahren gut und gerne 2,4 Millionen Menschen freudig aus dem Arbeitsleben verabschieden. Die Gewerkschaft baut darauf, daß 790.000 Stellen wieder besetzt werden. Das wäre eine enorme Leistung im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Die Bundesregierung setzt auf diese Pläne (die übrigens Walter Riester in seiner Rolle als IG-Metall-Vizechef konzipiert hatte), schließlich will sie sich an den sinkenden Arbeitslosenzahlen messen lassen. Doch so nett die Idee von der frühen Rente auch ist – sie läßt sich nicht umsetzen. Zu teuer, sozialpolitisch unausgegoren, beschäftigungspolitisch unwirksam. Ausgerechnet vom Deutschen Gewerkschaftsbund kommt diese Kritik. Erich Standfest, der als Vertreter der Arbeitnehmer derzeit dem Verband Deutscher Rentenversicherer vorsitzt, formuliert, worüber Zwickel und Riester nicht reden wollen. Eine Frühverrentung finanziere Betrieben den Stellenabbau. Keine neue Erkenntnis. Das Frühverrentungsmodell von Norbert Blüm hat Milliardenlöcher in die Rentenkassen geschlagen. Auf sieben Beschäftigte, die über das Programm ausschieden, kam eine Neueinstellung. Nicht der Arbeitsmarkt, die Betriebe wurden entlastet.
Walter Riester stapft in den ausgetretenen Fußspuren von Norbert Blüm. Die Banken, die als nächste in großem Stil rationalisieren wollen, dürften sich die Hände reiben, käme der Tariffonds durch. Klaus Zwickel sollte sein Feldgeschrei lassen. Die Losung ist klar: Neue Arbeitsplätze wird es kaum geben, die bestehenden müssen umverteilt werden. Wenn umverteilt wird, dann allerdings gerecht. Wie wäre es mit einem „Sonderopfer Arbeit“, mit einer Erhöhung der Rentenbeiträge zur Abmilderung der Härten bei der Frühverrentung? In diesen Sonderfonds müßten für eine gewisse Zeit alle einzahlen. Annette Rogalla
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen