Warnung an Südkorea: Nordkorea droht mit Militärschlag
Das Regime in Pjöngjang droht mit einem Militärschlag, falls Südkorea mit seinen Verbündeten Frachtschiffe aus Nordkorea auf hoher See kontrollieren sollte.
PEKING taz | Nordkoreas Militärs haben den Südkoreanern gestern mit Krieg gedroht, falls sie es wagen sollten, nordkoreanische Frachter auf hoher See zu stoppen und nach Waffen zu durchsuchen.
Solche "feindliche Handlungen gegen unsere friedlichen Schiffe" würden als "unverzeihliche Verletzung unserer Souveränität" betrachtet und "unverzüglich mit einem gewaltigen Militärschlag beantwortet", verkündete die amtliche Nachrichtenagentur KCNA, Sprachrohr des Regimes von Kim Jong Il. Pjöngjang fühle sich nicht mehr an das Waffenstillstandsabkommen gebunden, das seit dem Ende des Koreakriegs 1953 gilt.
Die Situation auf der koreanischen Halbinsel ist höchst angespannt, seitdem Nordkorea am Montag zum zweiten Mal seit 2006 einen unterirdischen Atomsprengsatz explodieren ließ und anschließend fünf Kurzstreckenraketen in Richtung Japan abfeuerte. Die Raketen landeten, wie beabsichtigt, im Meer.
Derweil registrierten Satelliten ausländischer Geheimdienste Rauchwolken über dem Reaktor Yongbyon, der im vergangenen Jahr offiziell stillgelegt wurde. Dies könnte bedeuten, dass die Militärs ernsthaft versuchen, noch mehr Plutonium für ihre Bomben zu gewinnen.
Auslöser der jüngsten Kriegsdrohungen war der Beschluss Südkoreas, sich an der sogenannten "Initiative gegen die Weiterverbreitung" von Massenvernichtungswaffen zu beteiligen. Damit sind Patrouillen von Kriegsschiffen der USA und anderer Länder auf den Weltmeeren gemeint. Sie wollen verdächtige Frachter aufbringen und kontrollieren, um unter anderem Nordkorea daran zu hindern, Atom- und Raketentechnik zu verkaufen. Vor allem Iran und Syrien gelten als Kunden der nordkoreanischen Technik.
Bislang hatte sich Südkorea ebenso wie China und Russland geweigert, an diesen - nach internationalem Recht heftig umstrittenen - Seepatrouillen teilzunehmen. Südkorea war nur als "Beobachter" dabei, um die Nordkoreaner nicht allzu sehr zu reizen.
Peking verlangt indes "Verhandlungen und Dialog". Im Klartext: Die Chinesen sehen zu den Sechsergesprächen über eine atomwaffenfreie koreanische Halbinsel keine Alternative. Gleichwohl herrscht nicht nur in China, sondern in ganz Ostasien Ratlosigkeit darüber, was jetzt getan werden muss, um die Situation zu entspannen. Diplomaten und chinesische Experten in Peking sind sich einig, dass der Atomtest nur der jüngste Versuch Nordkoreas war, die amerikanische Regierung zu direkten und schnellen Verhandlungen über einen Friedensvertrag zu zwingen. Zudem sollte der Test das Überleben des Kim-Clans und seiner Militärs garantieren. Deshalb rechnen Pekinger Diplomaten mit weiteren Raketenstarts und womöglich Zusammenstößen auf See.
Aber auch innenpolitische Motive stecken hinter Pjöngjangs Aktionen. Das Regime sei so schwach, dass die Militärs eine Bedrohung von außen schaffen müssen, um eine Rückkehr in die Kriegswirtschaft zu rechtfertigen, heißt es in Seoul.
Ausländische Bewohner Pjöngjangs berichten, dass die nordkoreanische Bevölkerung inzwischen sehr gut über die besseren Lebensbedingungen bei den Nachbarn in Südkorea und in China Bescheid weiß. Dafür sorgen eingeschmuggelte südkoreanische DVDs, Zeitungen, Bücher und Radios und ein kleiner Grenzverkehr von Händlern und Reisekadern. Die Stimmung unter den Bürgern sei gereizt. Manche Hauptstädter feiern krank, um nicht zu immer neuen Massenaufmärschen gerufen zu werden.
Da das öffentliche Versorgungssystem immer wieder zusammenbricht, duldet das Regime derzeit private Märkte, auf denen Bauern Überschüsse verkaufen dürfen. Auch aus China importiertes Obst und Gemüse sind zu haben, allerdings zu horrenden Preisen. Die alte Drohung des Militärs vor einem Einmarsch der Amerikaner werde hinter vorgehaltener Hand bitter mit einem "hoffentlich bald" kommentiert, berichtet ein Besucher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter