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Wanted: 100 Ethno-PolizistInnen

Hessen sucht fieberhaft nach ausländischen Ordnungshütern / Aber weil die wenigsten BewerberInnen perfekt zweisprachig sind, gibt es kaum geeignete Kanditaten  ■ Aus Wiesbaden Franco Foraci

Bei der Polizei in Hessen brechen neue Zeiten an. Der Ordnungshüter, der auf der Autobahn Verkehrssünder jagt oder im Rotlichtviertel Ganoven auf der Spur ist, wird nicht mehr nur Helmut oder Hartmut, sondern das Namensschildchen Ali, Mehmet, Kostas oder Natalija tragen. KollegIn AusländerIn ist im Anmarsch. Ausgestattet ist sie oder er mit allem Drum und Dran: grüne Mütze, grüne Uniform, Knüppel und Pistole. Das Recht zum Anweisen und Festnehmen inklusive.

100 Polizeistellen sollen bis zum Ende der Legislaturperiode mit Migranten besetzt werden. Diese Zahl nennt die rot-grüne Wiesbadener Koalitionsvereinbarung. Die Eichel-Regierung hat den seltenen Ausnahmefall im deutschen Beamtenrecht, der früher auf den Personalbedarf von Universitäten und Kultureinrichtungen zugeschnitten war, im Polizeiwesen zur Regel gemacht. Jeder darf ab sofort Polizist werden, vorausgesetzt man will.

In allen anderen Bundesländern ist dieses Recht nach der allgemeinen Änderung des Beamtengesetzes im Jahr 1993 auf Druck der EU eigentlich nur für EU-Bürger vorgesehen. Weil Polizeifragen Ländersache sind, hat sich Rot-Grün in Wiesbaden dafür entschieden, das neue Beamtenrecht auf alle Ausländergruppen anzuwenden. Unter den jetzt 100 fieberhaft gesuchten ausländischen Ordnungshütern werden sich auch Türken, Marokkaner, Ex-Jugoslawen und Polen befinden.

Ob dem Landesinnenministerium die Suche gelingt, steht allerdings jetzt schon in den Sternen. Denn die staatliche Nachfrage nach 16 bis 26jährigen PolizeianwärterInnen ist zwar groß, das KandidatInnenangebot aber kärglich. Denn geeignete multikulturelle KandidatInnen sind schwer zu finden. Etwa 3.000 Bewerbungen gingen im letzten Jahr 1994 Bökel-Ministerium ein. 327 waren von MigrantInnen abgeschickt. Eigentlich eine beachtliche Zahl, rund zehn Prozent. Die für Nichtdeutsche erschwerten Zugangsvoraussetzungen aber erfüllten nur wenige. Schon beim Auswahlverfahren fielen über 90 Prozent der MigrantInnen durch. Ganze drei Hessen ohne deutschen Paß schafften die hohen Hürden: eine Kroatin, eine Türkin und ein Landsmann.

Ordnungshüter werden in Hessen nur noch im höheren Dienst ausgebildet. Als Kommissare. An den mangelnden Sprachkenntnissen scheitern deshalb die meisten Kandidaten. Deutsch können die jungen Marokkaner, Polen, Bosnier und Türken – hier aufgewachsen oder geboren – ausgezeichnet. Sie sind aber so sehr integriert in Deutschland, daß sie die Sprache ihrer Eltern verlernt haben. Paradoxerweise wird ihnen das bei den Einstellungstests zum Verhängnis. Nicht-EU-Ausländer müssen zusätzlich zum Abitur und der Mindestgröße 160 Zentimeter zehn Jahre legalen Aufenthalt nachweisen und die deutsche wie die „Heimatsprache“ in Wort und Schrift beherrschen.

Aber Sprachkenntnisse sind wichtig, weil die neuen Beamten bestimmte kriminelle Milieus besser kontrollieren sollen – Stichwort V-Männer in Drogenhandel und Mafiazirkeln. Außerdem sollen durch perfekte Zweisprachigkeit die Berührungsängste zwischen älteren MigrantInnen und der Polizei abgebaut und bei Demonstrationen soll eventuell deeskaliert werden. „Mehmet, dein Freund und Helfer“, mehr Vertrauen über Identifikation, lautet die Strategie.

Besonders gefragt sind AusländerInnen, die breite Bevölkerungsschichten repräsentieren, wie etwa Türken und Italiener. Dennoch stehe die Polizei „generell allen Ausländern offen“, betont Kriminaloberrat Jürgen Schuth vom hessischen Innenministerium: „Wir würden auch einen Eskimo annehmen.“ Für Polizeidirektor Knut Schneider, Leiter der Abteilung Nachwuchswerbung bei der Wiesbadener Polizeischule, hat der Mangel an geeigneten ausländischen Bewerbern vor allem mit von den Jugendlichen fast nicht zu beeinflußbaren Tatsachen zu tun: „Es ist zwar richtig, daß die von uns geforderten Bildungsabschlüsse nicht oder noch nicht erbracht werden, zum großen Teil ist es aber so, daß der Wehrdienst noch abgeleistet werden muß.“ Das verlange die Gesetzgebung des ausländischen Staates, nicht das Recht der Bundesrepublik, erklärt Schneider. „Türken beispielsweise fragen – wie die Deutschen – bei uns schon mit 16/17 Jahren nach. Aber wir müssen ihnen sagen: Von uns aus gerne, aber die Türkei verbietet, daß du dich bei uns bewirbst.“ Wenn sie die Militärzeit hinter sich gebracht haben, haben sich oft andere Berufsperspektiven ergeben. „Wir müssen praktisch auf unsere besten Bewerber verzichten, weil sie in der Regel nicht wieder zurückkommen.“

An polizeiinternen Skeptikern für die neue Marschrichtung bei den Ordnungshütern fehlt es natürlich nicht. Doch Knut Schneider ist optimistisch: „Wir haben seit 1981 mit großem Erfolg Frauen in die Schutzpolizei aufgenommen und haben auch hier festgestellt, daß wir als Männer plötzlich sehr viel neue Erkenntnisse gewonnen haben, die uns die Lösung der täglichen Aufgaben ungemein erleichtern. Genau das versprechen wir uns auch für die Zukunft.“

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